In der Stadt Reims wollte König Karl VI.
von Frankreich am 24. März 1398 den deutschen König Wenzel empfangen, um über
die Beilegung der christlichen Kirchenspaltung zu beraten. Doch dafür war der
König viel zu betrunken. Es war nicht die einzige Blamage, welche Wenzel dem
Ansehen des deutschen Königtums zufügte.
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Wenzel von Böhmen, eine Blamage
seiner Zunft/6
Foto:
A0009_dpa
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Schon im Alter von zwei Jahren ließ Wenzels Vater, Kaiser Karl IV., ihn 1363
zum König von Böhmen krönen. Karl war ein kluger
und diplomatischer Herrscher, der sich sehr bemühte, das immer stärker
divergierende Deutsche Reich zusammenzuhalten. Allerdings begünstigte er sein
böhmisches Stammland in auffallender Weise und verlegte die kaiserliche
Hauptresidenz nach Prag.
Nach
dem Tod Karl IV. Ende 1378 übernahm der junge Wenzel die Regierung. Er verstand
es zunächst geschickt, die rivalisierenden Fürsten, Städtebünde und
Ritterbruderschaften zu neutralisieren. Irgendwelche Bestrebungen, die
Kaiserkrone zu erlangen, unternahm er nie, was für einen römisch-deutschen
König recht ungewöhnlich war und in den vergangenen Jahrhunderten nie
vorgekommen war. Lieber ging Wenzel auf die Jagd. Er betrieb dies so
leidenschaftlich, dass er Tag und Nacht von einer Meute riesiger Jagdhunde
umgeben war.
Am
letzten Tag des Jahres 1386 geschah eine persönliche Katastrophe. Einer der
Jagdhunde fiel Wenzels Gemahlin Johanna von Bayern an und biss sie zu Tode. Seit
diesem Zeitpunkt veränderte sich Wenzels Wesen, er ergab sich hemmungslos dem
Alkohol, wurde träge und bösartig. Manchmal bekam er furchtbare Wutanfälle.
1393 zerstritt er sich mit dem Prager Erzbischof, ließ einige seiner Berater
verhaften und foltern, wobei er selbst Hand anlegte. Der Generalvikar Johann
von Pomuk wurde auf Wenzels Befehl an ein Holzkreuz gebunden und am 20. März
1393 in der Moldau ertränkt. Daraus entstand die Legende vom Heiligen Nepomuk,
der sterben mußte, weil er das Beichtgeheimnis der Königin nicht verraten
wollte.
In
der Folgezeit benahm Wenzel sich wie ein unzurechnungsfähiger Despot. Seine
Begleiter waren jetzt nicht nur die Hunde, sondern auch ein Henker, den er
vertraulich "Gevatter" nannte. Er soll sogar einen Koch, dessen
Speise nicht gelungen schien, zur Strafe auf den Bratspieß gesteckt haben. Wahrscheinlich
ist das nur ein Gerücht, es zeigt aber, dass man dem König solche Untaten
durchaus zutraute.
Das
Deutsche Reich versank derweil in Anarchie. Mehrere Kurfürsten taten sich
deshalb zusammen und am 20. August 1400 wurde Wenzel von Böhmen als
"unnützer, träger, unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des
Reiches" für abgesetzt erklärt und statt dessen der Pfalzgraf Ruprecht zum
König gewählt.
Wenzel
bekam daraufhin wieder einen Wutanfall und ließ große Töne hören: "Ich
will das rächen oder darum tot sein. Ruprecht soll so tief hinab, als er hoch
auf den Stuhl gesetzt worden ist. Ich will ihn tot stechen oder er muß mich tot
stechen!" Natürlich geschah nichts dergleichen. Vielmehr wurde Wenzel 1402
von seinem eigenen Halbbruder Sigmund, dem späteren Kaiser, gefangen genommen
und 19 Monate zu Wien inhaftiert. 1403 bestätigte der Papst seine Absetzung als
deutscher König.
Nach
seiner Entlassung regierte Wenzel noch 16 Jahre in Böhmen – eigensinnig und
despotisch, wie es seine Art war. 1409 beschnitt er die Freiheiten der Prager
Universität. Daraufhin verließen sämtliche deutschen Professoren und Studenten
das Gebäude; der Lehrbetrieb kam zum Erliegen. Anfangs mit der Reformbewegung
des Jan Hus sympathisierend, schwenkte Wenzel nach dessen Hinrichtung als
Ketzer 1415 um und erließ mehrere Edikte gegen die Hussiten.
Am
30. Juli 1419 kam es in der Prager Neustadt deshalb zum Aufruhr. Ein Hussitenhaufe
stürmte das Rathaus, warf den Bürgermeister und mehrere königstreue Ratsherren
aus dem Fenster, die vom wütenden Pöbel mit Spießen und Heugabeln aufgefangen
wurden. Wenzel war über diese Vorfälle so entsetzt, dass ihn ein Schlaganfall
traf, an dem er am 16. August 1419 starb. Mit seiner Person verkörperte er den
Tiefpunkt des deutschen Königtums.