Boleslav
I., der Grausame
Boleslav I. (*
um 915; † 967 oder 972) wurde auch Boleslav
der Grausame genannt und war
ein böhmischer Fürst und Sohn der Drahomíra von
Stodor und Vratislavs I.
·
1 Leben
Der
böhmische Staat unter Boleslav I. und Boleslav II.
Boleslav entstammte dem Geschlecht
der Přemysliden.
Er wurde nach dem 28. September 935 [1],
nachdem er seinen Bruder Wenzel von Böhmen hatte ermorden lassen, Herrscher des
in Böhmen dominierenden Fürstentums um Prag. Ein Grund für den
Mord an seinem Bruder dürfte Boleslavs Widerstand gegen die von Wenzel
vertretene Anerkennung der Oberhoheit des Königs des Ostfrankenreiches gewesen sein. So stieß Otto I. auch auf Boleslavs massiven
Widerstand, als er die Erfolge seines Vaters Heinrich I. in Osteuropa ausbauen und die dortigen
Gebiete in das Reich eingliedern wollte.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern
verfolgte Boleslav eindeutig die Expansion seines Landes. Sein Problem war
jedoch zunächst, dass er kein ausgebildetes Heer hatte, eine Folge der geringen
Bevölkerung Böhmens, die damals etwa eine halbe Million Einwohner zählte, und
der fehlenden Finanzmittel. [2]
Schon kurz nach dem Tod Wenzels
gelang es Boleslav offenbar, bis 965 [3] seine Hegemonie über die umliegenden Gebiete,
insbesondere die strategisch wichtige Stadt Krakau, durch Liquidierung
ihm nicht wohlgesinnter Fürsten auszudehnen und dadurch das Fürstentum Prag
endgültig zur bestimmenden Macht Böhmens zu machen. Im Verlauf dieses Prozesses
erlangte er auch die Kontrolle über einen wichtigen Handelsweg zwischen
Mitteleuropa und dem slawischen Osten, denn Boleslav war jedoch nicht nur ein
erfolgreicher Kriegsherr sondern auch Händler. Prag war zu seiner Zeit
Metropole des Sklavenhandels im Gebiet nördlich der Alpen. Die
Sklaven waren zu Beginn der Expansion Heiden, meist Gefangene aus den besetzten
östlichen slawischen Gebieten. [4] Sie wurden über den damaligen
Handelsweg transportiert, der im arabischen Gebiet Spaniens begann und über
Frankreich und Süddeutschland, Regensburg und Prag nach Krakau und Kiew und von
dort aus weiter nach China führte. Etwa eintausend Kilometer dieses Weges
führte damals durch das Reich des Přemysliden, der ihn mit seinen Burgen
schützte [5] und so zusätzliche Einnahmen für sein
Heer sicherte.[6] Seine Gefolgschaft wuchs zu einer
bedeutenden Streitmacht an, die Kontrolle der Handelswege zog erhebliche
Einnahmen nach sich.
Unter seiner Herrschaft wurden 955
die ersten böhmischen Denare geprägt.
Ebenfalls zu Beginn seiner Herrschaft
unternahm Boleslav 936 Kriegszüge gegen benachbarte thüringische Stämme, die sich unter den Schutz des
Sachsen Otto I. stellten. Ein anfänglicher Sieg des
Böhmen über ein sächsisches Heer bildete den Anlass für direkte
Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen König und Boleslav, in deren
Verlauf Otto I. nach zähen Kämpfen schließlich die Oberhand gewann. 946 musste
Boleslav erstmals Geiseln stellen. Im Sommer 950 war er schließlich gezwungen,
sich endgültig der Oberhoheit Ottos I. zu unterwerfen. Er befreite sich für
kurze Zeit, wurde aber 954 wieder zur Huldigung Ottos gezwungen, blieb nun dem
Kaiser wie dem Christentum treu und kämpfte in der Schlacht auf dem Lechfeld (955) gegen dieMagyaren mit. Sein Kontingent von rund tausend
Mann kämpfte vor allem gegen die Hilfstruppen des Gegners. Unmittelbar danach
beteiligte er sich an einem Feldzug Ottos gegen die Elbslawen.[7] Eine andere Version der
Geschichtsschreibung, geht davon aus, dass Otto den Přemysliden zu Gunsten
der Slawnikiden schwächen wollte, damit diese
schließlich zwei Drittel von Böhmen beherrschten. [8]
Mit Herzog Mieszko I. von Polen befand sich Boleslav im
Konflikt um verschiedene kleinpolnische Territorien, der jedoch durch die
Verheiratung Boleslavs Tochter Dubrawka mit Mieszko 963 oder 964 entschärft
wurde. Kurz darauf beteiligten sich sogar böhmische Kämpfer an Feldzügen
Mieszkos gegen den sächsischen Grafen Wichmann II. den Jüngeren. Auch mit den Ungarn soll er bis 955 größtenteils in
Frieden gelebt haben. [9]
Allerdings verlor er in seinem großen
Reich die Übersicht aber auch die Einflussnahme. Teile wurden daher an seine
Anhänger oder Anhänger zur Verwaltung anvertraut. [10]
Mit seiner Frau Biagota hatte er vier
Kinder: Doubravka (Dobrava, Bonna), Boleslav II., Strachkvas (Kristián) und Mlada. [11]
Am Ende seines Lebens bemühte er sich
um die religiöse Selbständigkeit des Landes. Die Gründung des Prager Bistum erlebte er jedoch nicht mehr. Cosmas von Prag nennt als Todesdatum Boleslavs I. den
15. Juli 967. Die neuere Forschung lehnt diese Datierung als offensichtliche
Fehlinformation ab, entstanden aus der Absicht des Chronisten, die Verdienste
um das Bistum nicht dem Brudermörder Boleslav I., sondern seinem Sohn und
Nachfolger Boleslav II. zuschreiben zu können. Nach späteren
und glaubwürdigeren Quellen starb Boleslav I. 972, als die Verhandlungen mit
der Kurie bereits abgeschlossen waren. Das eigenständige Bistum für Böhmen und
Mähren wurde ein Jahr nach seinem Tod gegründet.[12]
·
Gottlieb Biermann: Boleslav I.. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker &
Humblot, Leipzig 1876, S. 97 f.
Commons:
Boleslav I. – Sammlung von Bildern, Videos und
Audiodateien
1.
↑ Das Jahr 938 ist nicht anzunehmen, da
Boleslav bereits 936 gegen Otto I. in den Krieg zog. Er muss also zu diesem
Zeitpunkt bereits geherrscht haben.
2.
↑ Josef Žemlička: Čechy v době
knížecí.
3.
↑ Magnae Moraviae fontes historici
4.
↑ Dušan Třeštík: „Veliké město
Slovanů jménem Praha“. Státy a otroci ve střední Evropě v 10.
století. In: Přemyslovský stát kolem roku 1000: na pamět knížete
Boleslava II (7. února 999). Praha, Nakl. Lidové Noviny, 2000. ISBN
80-7106-272-3, S. 49-70
5.
↑ Michal Lutovský, Miloslav Slabina, Vladimír
Čtverák, Lubor Smejtek: Encyklopedie hradišť v Čechách ISBN
80-7277-173-6
6.
↑ Magnae Moraviae fontes historici
7.
↑ Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte
8.
↑ Michal Lutovský, Zdeněk Petráň:
Slavníkovci ISBN
80-7277-291-0
9.
↑ Josef Žemlička: Přemyslovci
10.
↑ Josef Žemlička: Přemyslovci
11.
↑ Jiří Sláma: Slavníkovci ve
středověkém písemnictví.
12.
↑ Jiří Sláma: Český kníže Boleslav
II., S. 9 und Anm. 4. In: Přemyslovský stát kolem roku 1000: na pamět
knížete Boleslava II (7. února 999). Praha, Nakl. Lidové Noviny, 2000. ISBN 80-7106-272-3
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Amt |
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