Boleslav
II., der Fromme auf einem Segment derGnesener Bronzetür: Das Relief zeigt
Verhandlungen mit Adalbert von
Prag zum Freikauf von
Christensklaven
Boleslav II. († 7. Februar 999), auch Boleslav der Fromme, war ein böhmischer Fürst aus dem Geschlecht der Přemysliden.
Er herrschte als Herzog von Böhmen von 967 bis 999 über die zentrale
Region um Prag, das dominierende
Territorium Böhmens.
·
1 Leben
Boleslav II. war ein Sohn Boleslavs I. des
Grausamen. Sein Geburtsdatum ist unbekannt; Schätzungen verlegen
es meist in die 930er bis 940er Jahre. In den Quellen wird er erstmals aus
Anlass seines Regierungsantritts 972 genannt. Widukind von Corveyerwähnt zwar einen Sohn
Boleslavs I., der 950 seinen Vater im Kampf gegen Otto I. unterstützte; dieser namenlose Sohn
war aber nach Meinung der meisten Historiker nicht mit Boleslav II. identisch
und im Jahr 972 möglicherweise bereits verstorben. Auch die anderen Nachkommen
Boleslavs I. kamen für die Thronfolge nicht in Frage: Doubravka war mit dem polnischen Herzog
verheiratet, die jüngeren Kinder Strachkvas und Mlada für den
geistlichen Stand bestimmt.[1]
Boleslav II. trat nach dem Tod seines
Vaters ein schweres Erbe an. Böhmen stand unter Druck von außen, aber auch
durch Machtansprüche seitens der böhmischen Fürsten aus dem Geschlecht der Slavnikiden,
durch deren Territorium in Nordostböhmen der wichtige Handelsweg von Spanien
über Prag und Kiew bis nach China führte. Nach dem Tod von Slavník,
des Anführers des Hauses, 981, begann dessen Sohn Soběslav die Unabhängigkeit seines Territoriums
anzustreben und lehnte sich an Polen und Sachsen an. Wegen schwerer
Auseinandersetzungen mit Boleslav musste Soběslav in den folgenden Jahren
das Land zweimal verlassen. Als 983 der erste Prager Bischof Thietmar starb, wurde Adalbert von
Prag, ein Bruder Soběslavs, sein Nachfolger. Damit wurde die
Macht der Slavnikiden weiter gestärkt. 995, während eines Feldzugs Ottos III. gegen die Lutizen, an dem Boleslav
teilnahm, überfielen von Boleslav dem Frommen gesendete Truppen die Burg
Soběslavs und ermordeten einen Großteil seiner Familienmitglieder, wodurch
die Opposition zusammenbrach und die Slavnikiden nach dem Tod des nach Polen
geflüchteten Soběslav ausstarben[2].
Diese Ausrottung wird in der tschechischen Geschichtsschreibung als
entscheidendes Ereignis bei der endgültigen Einigung Böhmens gewertet. Sie
führte aber auch zur weiteren Destabilisierung des Landes, die bei Boleslavs
II. Tod 999 ihren Höhepunkt erreichte und rund 30 Jahre andauerte [3].
Zusammen mit dem polnischen Fürsten Mieszko I. und dessen Sohn Bolesław Chrobry gehörte Boleslav zu den wichtigsten
Bundesgenossen des aufrührerischen Herzogs von Bayern, Heinrichs des Zänkers. Anfangs errangen
die böhmischen Kämpfer, die auch nördlich des Erzgebirges agierten, einige
Erfolge, letztlich behielt Kaiser Otto II. die Oberhand. 976 floh der Zänker zu
Boleslav. Militärisch konnte Otto den böhmischen Herzog trotz zweier Feldzüge
nach Prag nicht bezwingen. Dennoch unterwarf sich Boleslav 977 Otto und wurde
978 anlässlich des Osterfestes in Quedlinburg von diesem feierlich in seine Gnade
aufgenommen.
Diese Annäherung an Otto ging mit
einem grundlegenden Politikwechsel Boleslavs einher: Er wandte sich gegen den
einstigen Verbündeten Polen. Die dauerhafte Konkurrenz zwischen den beiden
Reichen sollte über Jahrhunderte die Entwicklung Ostmitteleuropas bestimmen.
Auch der kurzzeitige erneute Bedeutungsgewinn Heinrichs des Zänkers nach dem
Tod Ottos II. konnte diese Neuausrichtung nicht mehr umkehren, obwohl Mieszko
und Boleslav 984 Heinrich gemeinsam als König anerkannten. Während Mieszkos
Sohn Bolesław eine Tochter des Markgrafen von Meißen heiratete, nahm Boleslav II. mit dem
Einverständnis des Zänkers die Burg Meißen selbst in Besitz und ließ den
Meißener Bischof Volkold vertreiben. Bolesław von Polen löste daraufhin
die für ihn wertlos gewordene Ehe mit der Markgrafentochter auf und heiratete
eine ungarische Fürstentochter aus dem Geschlecht der Arpaden. Damit entstand
für Böhmen die Gefahr einer Umschließung durch Polen und Ungarn.
In der Folgezeit band sich Boleslav
stärker an Heinrich, während Mieszko frühzeitig erkannt hatte, dass die Partei
um den noch unmündigen Otto III. sich durchsetzen würde und sich auf
deren Seite schlug. Auch nachdem Heinrich seinerseits Otto III. anerkannt und
sich mit der Herzogswürde in Bayern begnügt hatte, hielt Boleslav an der
direkten Gefolgschaft zu Heinrich fest. Am Ende dieses Prozesses standen Polen
und Ungarn, beide in der Gunst der Reichsregierung befindlich, gegen das
bayerisch-böhmische Bündnis. Boleslav besaß in diesem Konfliktfeld eine
vergleichsweise schwache Stellung: Er musste 987 die Burg Meißen wieder räumen,
990 brach ein Krieg um Schlesien und Kleinpolen offen aus. In dieser Phase erwies sich
zudem Boleslavs Bündnis mit dem heidnischen Lutizenbund als politisch nachteilig, weil die
Lutizen drohten, Vermittlungsversuche des Magdeburger Erzbischofs zwischen
Böhmen und Polen zu vereiteln. 992 ließ er darum diese Allianz fallen und
beteiligte sich an einem Feldzug gegen die Lutizen. In diesem Feldzug bekam er
einen Schlaganfall und war eine Zeit lang regierungsunfähig. Mit der Zeit besserte
sich sein Gesundheitszustand, völlig gesund wurde er jedoch nicht mehr.
Auch in seinen letzten Lebensjahren
versuchte er die ungünstige politische Lage zu ändern. Damit er jedoch kein
Land verlor, musste er sein Heer vergrößern. Dazu benötigte er Geld, dass er
sich durch die Prägung weiterer Münzen und Sklavenhandel besorgte. Im Gegensatz
zu seinem Vater, der nur mit so genannten Heiden handelte, war sein Sohn
gezwungen, auch Bewohner von Böhmen und Mähren, auch diejenigen, die sich zum Christentum bekannten, zu verkaufen.
Auf kirchlicher Ebene versuchte
Boleslav eine eigenständige, von der Reichskirche weitgehend unabhängige
Landeskirche ins Leben zu rufen. Auch hier geriet er in Konflikt mit Otto II.,
der 973 durch die Gründung des Bistums Prag unter dem Erzbistum Mainz und die Besetzung des Bischofsstuhls
mit dem Sachsen Thietmar Boleslavs Bemühungen erfolgreich
entgegenwirkte. 999 stiftete er das Benediktinerkloster Ostrov.
Boleslav II. war mit Emma verheiratet, hatte aber möglicherweise
zuvor oder auch zugleich weitere Ehefrauen. Vier von seinen Söhnen sind
namentlich bekannt: Boleslav III., Václav, Jaromír und Oldřich.
Beide Namenszusätze, „der Fromme“ für
Boleslav und „der Grausame“ für seinen Vater, stammen von dem Chronisten Cosmas von Prag,
der im Vater den Brudermörder und blutigen Krieger sah, während er seinen Sohn
als den edlen, christlichen Herrscher betrachtete. („...der christlichste Mann,
der an die allgemeine Kirche glaubt, Vater der Waisen, Beschützer der Witwen,
Tröster der Betrübten...“).
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Petr Charvát: Boleslav II. Sjednotitel
českého státu. Vyšehrad
2004, ISBN
80-7021-657-3
·
Biermann: Boleslaw II. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker &
Humblot, Leipzig 1876, S. 98.
1.
↑ Jiří Sláma: Český kníže Boleslav II., S. 9-10. In: Přemyslovský stát kolem
roku 1000: na pamět knížete Boleslava II (7. února 999). Praha, Nakl.
Lidové Noviny, 2000. ISBN
80-7106-272-3
2.
↑ Michal Lutovský, Zdeněk Petráň: Slavníkovci. ISBN
80-7277-291-0
3.
↑ Zdeněk Fiala: Přemyslovské Čechy. Český
stát a společnost v letech 995-1310. Nakladatelství politické literatury Praha,
1965.
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Amt |
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