König
Wenzel. Illustration aus derWenzelsbibel,
c.1398/1395
Wenzel von Luxemburg aus
dem Geschlecht der Luxemburger, Beiname: der Faule (auch Wenzeslaus, tschechisch Václav; * 26. Februar 1361 in Nürnberg; † 16. August 1419 auf der Wenzelsburg,
tschechisch Nový hrad u
Kunratic, heute im Stadtgebiet von Prag),
war seit seiner Krönung im Kindesalter 1363 bis zu seinem Tod 1419 als Wenzel IV. König von Böhmen und von 1376 bis zu seiner Absetzung
1400 römisch-deutscher
König. Von 1373 bis 1378 war er zudem Kurfürst von Brandenburg; das Haus Luxemburg vereinte somit
für den Fall einer Königswahl zwei Kurstimmen, die böhmische und die
brandenburgische, auf sich. Er war mitJohanna von
Bayern und Sophie von Bayern verheiratet; beide Ehen blieben
kinderlos.
·
1 Leben
o
1.1 Wahl und erste Regierungsjahre
o
1.2 Machtkämpfe innerhalb der Familie
o
1.4 König ohne Krone – die letzten Jahre
Wenzel war der älteste Sohn Kaiser Karls IV. aus
dessen dritter Ehe mit Anna von
Schweidnitz. Er war seit frühester Kindheit als Haupterbe
vorgesehen. Karl ließ ihm Siegel anfertigen und brachte ihm bereits als
Kleinkind bei, sich als wahrer Herrscher zu verhalten. Als Erzieher dienten ihm Ernst von
Pardubitz, später Johann Očko
von Wlašim, die ihn zu einem zwar gebildeten, aber unselbständigen und
unschlüssigen Menschen heranzogen. Schon 1363 wurde Wenzel zum König von Böhmen gekrönt. Er wurde auch noch zu
Lebzeiten seines Vaters am 10. Juni 1376 in Frankfurt am Main zum Rex Romanorum gewählt und vom Kölner Erzbischof Friedrich III.
von Saarwerden am 6.
Juli 1376 gekrönt. Nach dem Tod seines Vaters trat Wenzel 1378 dessen Nachfolge
als König des Heiligen
Römischen Reichs an.
Reise
der ersten Ehefrau Wenzels nach Prag 1370
In den Auseinandersetzungen mit der Kirche (Abendländisches Schisma),
wobei er wie schon sein Vater Papst Urban VI. als
rechtmäßigen Pontifex anerkannte, und den Reichsstädtebünden hatte er keine glückliche Hand. Es kam
zu Kampfhandlungen mit einem süddeutschen Städtebund, als er die schwäbischen Landvogteien den Habsburgern übertragen wollte. Wenzel kümmerte
sich fast gar nicht um die Reichsangelegenheiten. Er kam erst 1383 nach
Nürnberg, doch wollte der Städtebund den von ihm verordneten Landfrieden, der auch erstmals die Einteilung
des Reiches in Kreise vorsah, nicht anerkennen, da dies dessen Auflösung
bedeutet hätte. Mit dem Landfrieden von
Eger stellte er sich
auf die Seite der Fürsten, aber gegen die städtischen Bünde. Was ihm in Böhmen
einigermaßen gelang, nämlich die Ordnung aufrechtzuerhalten, misslang ihm in
Deutschland. Zudem nahm Wenzels Verhalten mehr und mehr despotische Züge an. Zu
der allgemeinen Unzufriedenheit trugen auch seine unfähigen Berater bei.
Nachdem Wenzel sich zudem mit niederem Adel und bürgerlichen Beratern umgab,
formierte sich auch in Böhmen der Widerstand des Adels, der von der Unfähigkeit
Wenzels und seiner Brutalität genug hatte, die auch in der Folterung und
Ermordung des Prager Generalvikars Johann von
Nepomuk, des verhassten Beichtvaters seiner Frau, zum Ausdruck kam.[1]
Schließlich brachen auch innerhalb der
Luxemburger-Dynastie Machtkämpfe aus, angefacht durch seinen Cousin Jobst von Mähren. Am 8.
Mai 1384 wurde Wenzel von den Vertretern des Adels in Königshof gefangen genommen. Den König setzte
man in Prag fest und Jobst übernahm die Verwaltung. Gleichzeitig bemühte sich
Wenzels jüngerer Bruder, Johann von
Görlitz, um dessen Befreiung. Wenzel wurde daraufhin auf die Burg Wildberg in Oberösterreich verlegt. Es kam zu erfolgreichen
Verhandlungen über die Freilassung des Regenten, allerdings mit für ihn harten
Bedingungen, die Wenzel später jedoch nicht einhielt. Nach seiner Rückkehr
musste er sich verpflichten, die Rebellen, darunter Kaspar und Guandar von
Starnberg, Heinrich III.
von Rosenberg, Heinrich III.
von Neuhaus und andere
böhmische Adelige, die am Aufstand teilgenommen hatten, nicht zu bestrafen.
1394 lud Jobst von Mähren führende
Mitglieder des böhmischen Adels nach Prag ein, darunter Heinrich von Rosenberg
auf Krumau, Heinrich der
Ältere von Neuhaus, Brenek
von Fels und Schwihau, Otto der Ältere
von Bergow, Heinrich Berka
von Duba auf Hohenstein, Wilhelm
von Landstein, Jan Michalec z Michalovic a na Mladé Boleslavi, Boček II.
von Podiebrad und Boresch IX. von
Riesenburg der Jüngere. Am 5. Mai 1394 veröffentlichten sie eine
gemeinsame Erklärung für ein Vorgehen zum Wohle des tschechischen Volkes und
gegen den König.
Im April überfielen Boresch von
Riesenberg und Bohuslav von
Schwanberg mit
weiteren Herren die Burg Toužim und nahmen Propst Georg fest, den
Boresch anschließend auf der Burg Riesenburg festhielt. Der König reagierte
wutentbrannt auf diesen Affront und befahl dem Prager Burggrafen Otto von Berg,
ein Heer zusammenzustellen und die Aufständischen zu bestrafen. Otto folgte,
zog jedoch mit den Soldaten nicht gegen die Rebellen, sondern gegen den König
selbst. Während seiner Rückkehr von seinerBurg Žebrák wurde
Wenzel gefangen genommen und im Weißen Turm auf der Prager Burg inhaftiert.
Wenzel wurde gezwungen, seinen
Cousin, den Markgrafen Jobst, zum Hauptmann des böhmischen Königreichs zu
ernennen. Ihm schlossen sich dann weitere böhmische Aristokraten an. Auf die
Seite Wenzels schlug sich jedoch sein Bruder Johann von Görlitz, der in Kuttenberg eine
Armee zusammenstellte. Die Rebellen zogen sich daraufhin mit dem König nach
Südböhmen zurück. Zwischen beiden Lagern entbrannte ein erbitterter Krieg.
Johann ließ die Höfe und Ländereien der Rosenberger plündern und besetzte Budweis.
Am 30. Juni 1394 schloss man Frieden und Wenzel wurde wieder entlassen.
Der Frieden hielt nicht, und Ende
1394 trafen sich die Landesherren, diesmal in Alttabor wieder. Markgraf Jobst erhielt
Unterstützung vom Meißner Markgrafen Wilhelm und dem von Verhandlungen mit seinem
Bruder enttäuschten Johann von Görlitz. Die neue Koalition, an der sich diesmal
auch Boresch
VII. der Ältere beteiligte,
traf sich mit dem König auf seiner Burg Žebrák. In den von den höheren Adeligen
vorgelegten Forderungen sollten diese alle wichtigen Ämter erhalten und damit
das Land kontrollieren und verwalten. Auch dieses Friedensabkommen hielt nicht
lange. Wenzel inhaftierte den Markgrafen Jobst und Boček II.
von Podiebrad; gegen andere, darunter auch die Riesenburger, sollte
ein Heer aufgestellt werden, angeführt von Bořivoj
ze Svinař.
1395 wurde Jobst entlassen und zu
Verhandlungen zugelassen, dies jedoch auf Kosten des Königsbruders Johann von
Görlitz. 1396 versuchte Wenzel, die Lage wieder in den Griff zu bekommen und
bat seinen Bruder Sigismund um
Hilfe. Durch dessen Vermittlung konnte am 2. April 1396 ein weiterer Frieden
geschlossen werden, wiederum zu Gunsten der böhmischen Landesherren.
1397 verschärfte sich die Lage
wieder, da der König neben den Mitgliedern des hohen Adels auch wieder seine
Günstlinge im niederen Adel bei der Verteilung von Posten berücksichtigte. Der
neu entstandenen Opposition unter der Führung des mährischen Markgrafen Prokop,
die sich zum Ziel erklärte, gegebenenfalls die Günstlinge des Königs auch unter
Anwendung von Gewalt zu beseitigen, schloss sich auch Boresch an. Verhandlungen
fanden am 11. Juni 1397 auf der Burg Karlštejn statt. Die Interessen des abwesenden
Königs vertrat Herzog Hanusch. Während der Verhandlungen ließen die Abtrünnigen
des Königs die Ausgänge des Verhandlungssaales mit Bewaffneten besetzen und
beriefen vier der königstreuen Berater in den Konferenzraum. Sobald diese
eintraten, beschuldigte Hanusch den eingetroffenen Burchard
Strnada z Janovic, ein Verräter zu sein, zog sein Schwert und
durchbohrte ihn. Johann
Michales von Michalowitz und
Boresch von Riesenburg warfen sich auf die übriggebliebenen waffenlosen Räte
und töteten sie. Lediglich Markolt
z Vrutic gelang die
Flucht, er starb jedoch kurz darauf an seinen schweren Verletzungen. Daraufhin
begaben sich die Mörder zum König in Königshof und gestanden ihm die Tat. Wenzel nahm
die Nachricht über den Tod seiner Anhänger apathisch auf. Einen Monat später
bezichtigte er selbst seine ermordeten Räte des Verrats.
Am 20. August 1400 wurde Wenzel als eynen unnüczen, versümelichen, unachtbaren
entgleder und unwerdigen hanthaber des heiligen Romischen richs (hochdeutsch: unnützer, träger,
unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des Heiligen Römischen Reiches)[2] von den Erzbischöfen von Mainz, Trier
und Köln und Ruprecht, dem Pfalzgrafen bei
Rhein, auf der Burg Lahneck in Oberlahnstein für abgesetzt erklärt. Ruprecht aus
dem Hause Wittelsbach wurde
am folgenden Tag in Rhens von den gleichen vier Kurfürsten zum
König gewählt.
Auch in Böhmen regte sich aufs Neue
die Opposition des hohen Adels, diesmal wieder mit dem Meißner Markgrafen
Wilhelm, der jedoch nach dem Friedensvertrag von 1401 aus dem Land wieder
abziehen musste. Auf Druck der Aristokraten berief Wenzel seinen Bruder Sigismund
nach Böhmen, mit dem er in Königgrätz 1402 eine Vereinbarung traf, mit der
er ihm faktisch die Verwaltung von Böhmen überließ und ihm die böhmische Krone
nach seinem Tod versprach. Sigismund sollte ihm dafür zum Rückgewinn der
Reichskrone verhelfen. Der ungarische König übernahm die Macht und besetzte
nach und nach die Königsburgen, hatte jedoch mit dem Versprechen, das er seinem
Bruder gegeben hatte, keine Eile.
Wenzel begehrte auf. Sein Bruder ließ
ihn daraufhin am 6. März 1402 in Prag festnehmen. Johann von Bucca, Heinrich III.
von Rosenberg, Ulrich
von Neuhaus, Břeněk
ze Skály und Otto von Berg wurden zu Landesverwaltern ernannt.
Unter Begleitung Sigismunds wurde Wenzel zunächst nach Krumau und von dort auf die Burg Schaunberg bei Pupping gebracht. Nun stellten sich wieder
einige der böhmische Landesherren, angeführt von Jobst von Mähren, auf seine
Seite, da sie in Sigismund eine größere Gefahr sahen als in dem manipulierbaren
Wenzel. Der Kampf zwischen den Böhmen und dem ungarischen König zog sich bis
1403 hin. Als dann Unruhen in Ungarn ausbrachen, wurde Sigismund gezwungen,
Böhmen zu verlassen. Nach einer weiteren Internierung in Wien gelang Wenzel am
11. November 1403 die Flucht.
Böhmischer König blieb Wenzel bis zu
seinem Tod, zumal er formal weiter auf sein Recht als römisch-deutscher König
pochte. 1410 nach dem Tod Ruprechts von der Pfalz ging die Herrschaft wieder an die
Luxemburger zunächst an den Vetter Wenzels Jobst von Mähren und dann 1411 an den Bruder Wenzels, Sigismund, neuer römisch-deutscher König.
Beide Brüder einigten sich, so dass Sigismund auch auf Wenzels Hausmacht hoffen konnte. So stellten die
Luxemburger von 1308 bis 1437 fünf deutsche Könige, diese Liste wurde
unterbrochen für 17 Jahre durch die beiden Wittelsbacher Ludwig IV. den Bayer und Ruprecht von der Pfalz.
Im Jahre 1419 spitzte sich der
Konflikt mit den Hussiten zu. Ende Juli 1419 gelang es ihnen,
Prag in ihre Hand zu bekommen, wozu auch Wenzels immer mehr als tyrannisch
empfundene Herrschaft beigetragen hat. Wenzel floh, doch starb er schon am 16.
August desselben Jahres. Nach Wenzels Tod trat Sigismund auch dessen Nachfolge
als böhmischer König an.
In seinem persönlichen Charakter wird
Wenzel als Paranoiker und als Tyrann beschrieben, der mit der Reitpeitsche um
sich schlug, seine großen Hunde auf unliebsame Menschen in seiner Umgebung
hetzte oder diese sogar aus fadenscheinigsten Gründen hinrichten ließ.[3] Er spielt auch eine Hauptrolle in der
Geschichte von Johann von
Nepomuk, den er angeblich deshalb in die Moldau hat
werfen lassen, weil er ihm die Beichtgeheimnisse seiner Frau nicht habe
preisgeben wollen. In Wahrheit ging es um politische Differenzen. Die meiste
Zeit seiner Regierung soll Wenzel in einem Zimmer mit seinen Jagdhunden
eingeschlossen verbracht haben.
Wenzel war vermutlich seit dem Tod
seiner ersten Frau Alkoholiker; das wurde am 23. März 1398 zum öffentlichen
Skandal, als der betrunkene König Wenzel nicht am Festmahl des französischen
Königs Karl VI. in Reims teilnehmen konnte. Zweimal war Wenzel
festgesetzt worden (1394 und noch einmal 1402–03, das letzte Mal unter Zutun
seines Bruders Sigismund, der von Wenzel als Reichsvikar zu einem seiner
Stellvertreter ernannt worden war). Wenzel, der sich nie ernsthaft um die
Kaiserkrone bemühte (was sonst alle römisch-deutschen Könige des Spätmittelalters getan hatten) und sich nicht mit
fähigeren Ratgebern umgab, als es noch Zeit gewesen wäre das Blatt zu wenden,
bleibt eine Gestalt ohne sympathische Züge. Politisch muss man ihm vorwerfen,
dass ihm trotz seiner Bildung und seiner Wissensneigung sowohl der
Realitätssinn als auch das Gespür für die Politik fehlten, die noch seinen
Vater ausgezeichnet hatten. Seine politischen Entscheidungen waren nicht
voraussehbar. Die Lösung von Problemen verschob er meist oder reagierte
unüberlegt und übereilt. Er verlor die weisen Ratgeber seines Vaters und umgab
sich mit einem Hof, der sich meist aus Angehörigen der unteren Adelsschicht
zusammensetzte, die umso ehrgeiziger und unnachgiebiger handelten. Im Land kam
es dadurch zu immer neuen Konflikten, die nicht nur die politische, sondern
auch die wirtschaftliche Entwicklung hemmten.
In Böhmen verstärkte die
Unbeliebtheit Wenzels die Herausbildung eines tschechischen Nationalcharakters,
der sich vor allem durch den Gegensatz zum Deutschen definierte.
Der Europarat hat 1995 einen Kulturweg in Luxemburg und Frankreich mit dem
Namen „Die Rundwege von Wenzel und Vauban“ versehen.[4]
·
Marco
Innocenti: Wenzel IV. In: Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon (BBKL).
Band 24, Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-247-9, Sp. 1521–1531.
·
Martin Kintzinger: Wenzel. In: Bernd
Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters.
Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519). Beck,
München 2003, S. 433–445, ISBN 3-406-50958-4.
·
Wilhelm Klare: Die Wahl Wenzels von Luxemburg zum
römischen König 1376 (zugleich
Dissertation an der Universität Münster 1989). Lit, Münster u.a. 1990, ISBN 3-88660-559-0.
·
Theodor Lindner: Wenzel. In: Allgemeine
Deutsche Biographie (ADB).
Band 41, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 726–732.
·
Heinz Rieder: Wenzel. Ein unwürdiger König.
Zsolnay, Wien u.a. 1970 .
·
Herbert
Rosendorfer: Deutsche
Geschichte. Teil 2: Von der Stauferzeit bis zu König
Wenzel dem Faulen. dtv 13152, München 2003, ISBN 978-3-423-13152-0.
Wikisource:
Wenzel – Quellen und Volltexte
Commons:
Wenzel – Sammlung von Bildern, Videos und
Audiodateien
·
Literatur von und über Wenzel im Katalog der Deutschen
Nationalbibliothek
1.
↑ Rosendorfer, Herbert: Deutsche Geschichte -
ein Versuch, Vom Morgendämmern der Neuzeit bis zu den Bauernkriegen, S. 24
2.
↑ Absetzungsurkunde Wenzels, abgedruckt in Quellensammlung
zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit /
bearb. von Karl Zeumer, Seite 223-226, im Volltext bei
Wikisource
3.
↑ Rosendorfer, Herbert: Deutsche Geschichte -
ein Versuch, Vom Morgendämmern der Neuzeit bis zu den Bauernkriegen, S. 23 f.
4.
↑ Council of Europe: The Vauban and Wenzel Routes
Vorgänger |
Amt |
Nachfolger |
Römisch-deutscher
König |
||
König von
Böhmen |
||
Kurfürst von
Brandenburg |
||
Herzog von
Luxemburg |
Normdaten (Person): GND: 118631349 | LCCN: n82011955 | VIAF: 265916414 |
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Jan von Flocken
Wenzel von
Böhmen, eine Blamage seiner Zunft/6
Foto:
A0009_dpa
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Schon im Alter von zwei Jahren ließ Wenzels Vater,
Kaiser Karl IV., ihn 1363 zum König von Böhmen krönen. Karl war ein kluger und diplomatischer Herrscher, der sich sehr bemühte,
das immer stärker divergierende Deutsche
Reich zusammenzuhalten. Allerdings begünstigte
er sein böhmisches
Stammland in auffallender Weise und verlegte die kaiserliche Hauptresidenz nach Prag.
Nach dem Tod Karl IV.
Ende 1378 übernahm der junge Wenzel die Regierung. Er verstand
es zunächst geschickt, die rivalisierenden Fürsten, Städtebünde und Ritterbruderschaften zu neutralisieren. Irgendwelche Bestrebungen, die Kaiserkrone zu
Am
letzten Tag des Jahres 1386
geschah eine persönliche Katastrophe. Einer der Jagdhunde fiel
Wenzels Gemahlin Johanna
von Bayern an und biss sie zu Tode.
Seit diesem Zeitpunkt veränderte sich Wenzels Wesen, er ergab sich
hemmungslos dem Alkohol, wurde träge und bösartig. Manchmal bekam er furchtbare
Wutanfälle. 1393 zerstritt er sich
mit dem Prager
Erzbischof, ließ einige seiner Berater
verhaften und foltern, wobei er selbst
Hand anlegte. Der Generalvikar Johann von Pomuk wurde auf Wenzels Befehl an ein
Holzkreuz gebunden und am
20. März
1393 in der Moldau ertränkt. Daraus entstand die Legende vom Heiligen Nepomuk,
der sterben mußte, weil
er das Beichtgeheimnis
der Königin nicht verraten wollte.
In der Folgezeit benahm Wenzel sich wie ein unzurechnungsfähiger
Despot. Seine Begleiter
waren jetzt nicht nur die Hunde,
sondern auch ein Henker, den er vertraulich "Gevatter" nannte. Er soll sogar
einen Koch, dessen Speise nicht gelungen
schien, zur Strafe auf den Bratspieß gesteckt haben. Wahrscheinlich ist das nur ein Gerücht,
es zeigt aber, dass man dem König solche
Untaten durchaus zutraute.
Das Deutsche Reich versank
derweil in Anarchie. Mehrere Kurfürsten taten sich deshalb
zusammen und am 20. August 1400 wurde
Wenzel von Böhmen als "unnützer, träger, unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des Reiches" für abgesetzt erklärt
und statt dessen der Pfalzgraf Ruprecht
zum König gewählt.
Wenzel
bekam daraufhin wieder einen Wutanfall
und ließ große Töne hören: "Ich will das
rächen oder darum tot sein. Ruprecht soll so tief hinab, als er hoch
auf den Stuhl gesetzt worden ist. Ich
will ihn tot stechen oder er muß
Nach seiner Entlassung regierte Wenzel noch 16 Jahre in Böhmen – eigensinnig und despotisch, wie es seine Art war.
1409 beschnitt er die Freiheiten der Prager Universität. Daraufhin verließen sämtliche deutschen Professoren und Studenten das Gebäude;
der Lehrbetrieb kam zum Erliegen.
Anfangs mit der Reformbewegung des Jan Hus sympathisierend, schwenkte Wenzel nach dessen Hinrichtung als Ketzer
1415 um und erließ mehrere Edikte gegen die Hussiten.
Am 30. Juli 1419 kam
es in der Prager Neustadt deshalb zum Aufruhr.
Ein Hussitenhaufe stürmte das Rathaus,
warf den Bürgermeister und mehrere königstreue Ratsherren aus dem Fenster, die vom wütenden Pöbel
mit Spießen und Heugabeln aufgefangen wurden. Wenzel war über diese Vorfälle so entsetzt, dass ihn ein Schlaganfall
traf, an dem
er am 16. August 1419 starb. Mit seiner Person verkörperte er den Tiefpunkt des deutschen Königtums.
Mehr Anekdoten aus der Geschichte, erzählt von Jan von Flocken, finden sich in dem Buch "111 Geschichten zur Geschichte"
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Wenzel (der sich in deutschen Urkunden: Wenczlaw, in lateinischen: Wenceslaus schreiben
ließ), deutscher König und König von Böhmen († 1419), wurde als ältester Sohn Karl’s IV. am 26. Februar 1361 in Nürnberg
geboren. Seine Mutter war Anna von Schweidnitz-Jauer, die dritte Gemahlin
Karl’s. Unzweifelhaft wählte der Vater zum Ort der Niederkunft absichtlich
Nürnberg, damit der erhoffte Thronerbe, den er sich gleich als künftiges
Reichsoberhaupt dachte, auf deutschem Boden das Licht der Welt erblicken
sollte. Darum wurde auch die am 11. April in der Sebalduskirche vollzogene Taufe
mit unerhörter Pracht gefeiert, in Gegenwart aller zu Gaste geladenen
Kurfürsten. Schon am 15. Juni 1363 ließ Karl das Kind in Prag zum Könige von
Böhmen krönen; am [727] 29.
September 1370 wurde der siebenjährige Knabe in Nürnberg mit Johanna, der Tochter
des Herzogs Albrecht von Baiern-Holland vermählt, nachdem Karl zwei frühere
Eheverabredungen aufgehoben hatte. Ueber die Erziehung des Prinzen ist wenig
bekannt, jedenfalls verwandte der Vater auf sie die größte Sorgfalt. Um W.
frühzeitig für seine künftige Thätigkeit vorzubereiten und zugleich in
Deutschland bekannt zu machen, nahm ihn der Kaiser auf seinen Fahrten durchs
Reich mit und zog ihn zu allen wichtigen Sachen heran. Nachdem Karl die Mark
Brandenburg erworben hatte, begann er, die Wahl Wenzel’s zum deutschen Könige
zu betreiben, und es gelang ihm durch großartige Vergabungen an die Kurfürsten und
eine sehr gewandte Politik, sein Ziel zu erreichen. W. wurde einhellig am 10.
Juni 1376 in Frankfurt gewählt und am 6. Juli in Aachen gekrönt, ohne daß der
Papst seinen Anspruch auf vorherige Approbation durchsetzen konnte. Im
folgenden Jahre ernannte Karl den jungen König zum Reichsverweser und ließ ihn
den Frieden mit dem schwäbischen Städtebunde abschließen. W. begleitete später
den kaiserlichen Vater auf der Reise an den französischen Hof. Schon am 29.
November 1378 machte der Tod Karl’s IV. W. zum selbständigen Regenten
Deutschlands und Böhmens.
W. war ein stattlicher starker
Jüngling von leidlicher Begabung. Er besaß mancherlei Wissen und Interesse für
Kunst und Litteratur. Davon zeugen die Reste der Bibliothek, welche er sich
anlegen ließ, Handschriften theologischen, juristischen,
naturwissenschaftlichen und poetischen Inhalts, geschmückt mit prachtvollen
Miniaturen, deren Vorwürfe meist mit vielem Humor aus Sage und Dichtung
geschöpft sind. Auch die von Karl IV. begonnenen Bauwerke führte W. weiter.
Nicht ohne Witz faßte er schnell und gab schlagfertigen Bescheid. Doch früh
regte sich in ihm die Neigung zu müssigem Umherschweifen auf der Jagd und zu
fröhlichen Gelagen.
W. trat in arg verwirrte öffentliche
Verhältnisse ein. Noch bei Karl’s Lebzeiten hatten die Kardinäle das große
Schisma hervorgerufen, indem sie dem erstgewählten Papste Urban VI. einen
zweiten in Clemens VII., der später nach Avignon ging, entgegenstellten. W.
erklärte sich für Urban, suchte dessen Anerkennung im Reiche durchzusetzen und
auch die auswärtigen Mächte für ihn zu gewinnen. Daher vermählte er 1381 seine
Schwester Anna mit dem englischen Könige Richard II., eine Verbindung, die dann
eigene Folgen hatte. Die Mehrheit im Reiche folgte dem Könige. Erzbischof Adolf von Mainz, der sich zu Clemens
geschlagen hatte, wurde durch große Zugeständnisse zum römischen Papste
zurückgeführt, allein Herzog Leopold III. von
Oesterreich hielt zu
Avignon, und da W. aus mancherlei politischen Gründen auf ihn Rücksicht nehmen
mußte, kam keine völlige Kircheneinheit zu Stande. Doch trat die Frage eine
Zeit lang in den Hintergrund, weil das Schisma selbst versumpfte.
W. wollte nach dem Beispiele des
Vaters die Reichssachen möglichst im Einvernehmen mit den Kurfürsten regeln und
leiten. Aber die rheinischen, welche allein in Betracht kamen, hielten W. bald
für zu nachlässig und verlangten daher, weil der König in seinem böhmischen
Sitze dem Reiche zu fern war, schon 1380, er möge mit ihrem Beirathe einen
Reichsverweser bestellen. Immer wieder tauchte später diese Idee auf. Es
handelte sich also von Anfang an nicht darum, den König abzusetzen, sondern die
Kurfürsten wollten neben ihm eine kräftigere Regierungsgewalt im Reiche haben.
Diese hätte allerdings unter ihrem Einflusse gestanden, dennoch ist es nicht
zutreffend, in dem Verhalten der Kurfürsten lediglich nackten und gemeinen
Eigennutz zu erblicken. Sie erstrebten in ihrer Weise das Wohl des Reiches; daß
freilich der König auf diese Wünsche nicht einging, ist leicht verständlich.
W.
wandte bald sein vornehmliches Interesse den Dingen außerhalb des Reiches [728] zu.
In Verflechtung mit der Kirchensache hatte er sich dem Könige Ludwig dem Großen
von Ungarn-Polen genähert und die schon früher angebahnte Verlobung seines
jüngeren Bruders Sigmund (s.
A. D. B. XXXIV, 267 ff.) mit dessen ältester Tochter Maria vollzogen. Als
Ludwig 1382 starb, dauerte es geraume Zeit, ehe Sigmund seine Braut zur
Gemahlin und dann auch 1387 die ungarische Krone gewann. W. hat ihn reichlich
unterstützt und zog 1386 in Person mit Heeresmacht nach Ungarn. Darüber
versäumte er, den lange gehegten Plan auszuführen, durch eine Romfahrt die
Kaiserkrone zu erwerben und seiner Würde die rechte Weihe zu geben. Von seinem
Bruder erntete er gleichwol schlechten Dank; Sigmund und noch mehr der Vetter,
der schlimme Markgraf Jodocus oder Jost von Mähren (s. A. D. B. XIV, 106 ff.) wurden die
bösen Geister des Königs und verschuldeten später hauptsächlich seinen
Niedergang.
W. bewahrte ähnlich dem Vater, aber
nicht mit dessen weitschauendem Blick, eine friedliche Haltung. Mit Frankreich
hielt er gute Freundschaft, obgleich dieses Reich eine andere Kirchenpolitik
verfolgte. So stellte er sich auch zu den Gegensätzen innerhalb Deutschlands.
Ihr hauptsächlicher Grund waren die Städtebündnisse. Die schwäbischen
Reichsstädte, Ulm an der Spitze, hatten in der Furcht, die Kosten der Wahl
Wenzel’s tragen zu müssen, bald nach ihr einen Bund geschlossen zur
Vertheidigung ihrer Freiheit und zur Abwehr ungerechter Beschatzung. Karl hatte
diese Einigung nicht unterdrücken können; sie wuchs weiter an Stärke und Zahl
der Mitglieder. Ihr trat eine andere am Rhein zur Seite. Im März 1381
verbündeten sich die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau
und Weißenburg zu gegenseitiger Hilfe in ihren Kriegen. Sie trieb die Sorge vor
den großen Ritterbündnissen, welche sich damals in weitester Ausdehnung
bildeten. Schon im Juni desselben Jahres schlossen die beiden Städtebündnisse
einen Vertrag miteinander und gelobten sich Beistand gegen Angriff und Raub, auch
gegen jeden, der die Städte von ihrem Bunde trennen wollte. In der That brach
bald der Krieg mit den Rittern aus, doch Herzog Leopold beschwichtigte ihn
durch die sogenannte Ehinger Einigung vom April 1382. Der Oesterreicher spielte
auch in diesen Dingen eine gewichtige Rolle, denn sein Streben war darauf
gerichtet, in Schwaben die Vorherrschaft zu erlangen.
Auf
die Städtebündnisse sahen die Fürsten mit großer und nicht ungerechtfertigter
Besorgniß. Sie verlangten vom Könige ihre Auflösung, aber W., in dem
Bewußtsein, daß er alsdann einem schweren Kriege entgegenginge, dessen Last er
schließlich allein zu tragen gehabt hätte, hatte wenig Neigung zu dem
gefährlichen Unternehmen. Doch besaß seine Politik keine Festigkeit; je nach
den wechselnden Verhältnissen und dem Einflusse, den einzelne Persönlichkeiten
und namentlich Herzog Leopold auf ihn ausübten, war er den Fürsten mehr oder
weniger willfährig. Da die Kurfürsten hofften, durch Landfrieden die Städte zu
binden und in ihrem Verhalten zu bestimmen, errichtete W. im März 1383 zu
Nürnberg einen großen Landfrieden für das ganze Reich und die Dauer von zwölf
Jahren, der zwar die Städte nicht grundsätzlich ausschloß, aber ihnen wie ein
gegen sie gerichtetes fürstliches Bündniß erschien. Die herrschende Spannung
veranlaßte die Erweiterung der Städtebünde; dem schwäbischen traten außer
anderen Städten Basel und Nürnberg, letzteres freilich in friedlicher Absicht
bei. W., ohnehin verstimmt, weil die Absicht, einen Reichsverweser in deutschen
Landen zu erlangen, wieder verlautete, brachte daher im Juli 1384 in der
Heidelberger Stallung einen Waffenstillstand zwischen beiden Parteien zustande.
Er erkannte zwar die beständig an Mitgliedern zunehmenden Städtebündnisse nicht
öffentlich an, aber suchte bereits Verständigung mit ihnen. [729] Das
einzige Ergebniß war jedoch eine Ausplünderung der Juden, bei denen der König
auch ein freilich nicht allzu großes Geschäft machte.
Während der rheinische Bund über den
eigentlichen Zweck, die Vertheidigung gegen kriegerische Angriffe, nicht
hinausschreiten wollte und eine sehr vorsichtige, kühne Pläne ablehnende
Haltung einnahm, ging der schwäbische entschlossener vor und vereinbarte im
Februar 1385 einen Vertrag mit den Schweizern, mit Bern, Solothurn, Zürich, Zug
und Luzern: die Länder Schwiz, Uri und Unterwalden nahmen jedoch nicht Theil.
Beide Parteien fürchteten den Herzog Leopold, mit dem damals auch der König
zerfallen war. Als jedoch im Sommer 1386 die Schweizer mit dem österreichischen
Herzog in Kampf geriethen, blieb ihnen allein überlassen, den Streit
auszufechten. Sie errangen am 9. Juli 1386 den berühmten Sieg bei Sempach, wo
Leopold mit zahlreichen Rittern fiel.
W. gerieth bald nachher in große
Aufregung. Einer Aufforderung der Kurfürsten folgend kam er im März 1387 nach
Würzburg und gab dort am 21. März den schwäbischen Städten das mündliche
Versprechen, ihren Bund nie abzuthun noch zu widerrufen, und sicherte ihnen
schriftlich zu, sie mit einander bei sich und dem Reiche zu erhalten und sie
gegen alle Beeinträchtiger ihrer Rechte und Freiheiten zu unterstützen. Die
Städte gelobten dafür schriftlich, ihm innerhalb Deutschlands beizustehen, wenn
sich jemand gegen ihn als römischer König aufwerfen und ihn vom Königreiche
drängen wolle. Die vier rheinischen Kurfürsten dagegen verabredeten am 23.
April in Oberwesel, nur gemeinsam zu genehmigen, wenn W. das Reich an jemand
anders wenden wolle. Wahrscheinlich handelte es sich auch jetzt um die
Einsetzung eines Reichsverwesers in Deutschland; die in ihrem Verlaufe ziemlich
dunkle Angelegenheit, in die auch die Kirchenfrage hineinspielte, hatte keine
Folgen.
Der so lange hingehaltene Krieg kam
zum Ausbruch, als die Herzöge Stephan und Friedrich von Baiern im November 1387 den
Verbündeten der schwäbischen Städte, Erzbischof Pilgrim von Salzburg, treulos gefangen
nahmen. W. sagte zwar den Friedensstörern Krieg an, doch ließ er es bei einem
Drohbriefe bewenden und sah unthätig dem Gange der Dinge zu. Nachdem die
schwäbischen Städte im Juni 1388 die Niederlage bei Döffingen erlitten hatten,
nahmen auch die rheinischen mit größerer Anstrengung am Kampfe theil, so daß
nun ganz Süddeutschland in Waffen stand. Auch sie fochten im Felde mit Unglück,
die Fürsten dagegen konnten keine Stadt erobern; beide Theile begnügten sich
hauptsächlich mit schwerer Verwüstung des offenen Landes. Allmählich wandte
sich W. den Fürsten zu. Er heirathete damals, nachdem er vergebens um eine
portugiesische Prinzessin geworben hatte, Sophie (in Böhmen auch Euphemie,
Offney genannt), die Tochter des Herzogs Johann von Baiern-München, da seine
erste Gemahlin 1386 an der Pest gestorben war. W. knüpfte auch mit dem ihm
bisher feindlichen Erzbischof Adolf von Mainz an, unter dem Vorwande, dem
Throne entsagen zu wollen, vermuthlich, um sich den drohenden Reichsvicariat
eines deutschen Fürsten fernzuhalten.
Auf dem Reichstage zu Eger, Anfang
Mai 1389, gebot W. allen Reichsstädten, ihre Bündnisse aufzugeben und in den
von ihm gleichzeitig verkündigten allgemeinen Landfrieden einzutreten. Die
Städte gehorchten, die einen gleich, die anderen zögernd. Der große Kampf, der
nicht als ein grundsätzlicher zwischen Bürgerthum und Fürstenschaft zu
betrachten ist, sondern sich auf die Reichsstädte beschränkte und mehr aus
einzelnen Streitfällen und der allgemeinen feindseligen Stimmung
herausgewachsen war, ging damit zu Ende.
Der
König kam lange Jahre nicht mehr ins Reich. Ihn übermannten Trägheit und
Trunksucht, seine Verwandten boten alles auf, ihm in Böhmen Schwierigkeiten zu
machen, um dabei ihren Vortheil zu suchen. W. wurde [730] darüber
gereizt und leidenschaftlich; vergaß er sich doch soweit, daß er 1393 bei
Gelegenheit eines schweren Streites mit dem Prager Erzbischof Johann von Jenzenstein (s. A. D. B. XIV, 321) den
Generalvicar Pomuk grausam foltern und den Halbtodten in die Moldau stürzen
ließ. Schließlich kam es dahin, daß Markgraf Jost und die mit ihm verschworenen
böhmischen Barone W. am 8. Mai 1394 in Beraun gefangen nahmen und später in
Haft nach dem österreichischen Schlosse Wildberg bei Linz brachten. Das war den
Deutschen zu arg; PfalzgrafRuprecht II. bewirkte als Reichsverweser die
Freilassung des Königs. In Böhmen dauerten die Unruhen weiter; der jüngste
Bruder des Königs, Herzog Johann von Görlitz (s. A. D. B. XIV, 216), starb darüber
und erst Sigmund von Ungarn, dann, als dieser gegen die Türken zu Felde zog,
Jost von Mähren rissen die führende Stelle an sich. Schließlich richteten die
Kurfürsten im October 1395 an W. die Aufforderung, endlich ins Reich zu kommen,
„sonst würden sie gedenken, was sie dazu zu thun hätten“. Als W. nicht
erschien, hielten sie im Mai 1397 eine Reichsversammlung in Frankfurt ab und
erreichten damit thatsächlich, daß W. sich nunmehr aufmachte, um die Einsetzung
eines Reichsvicars gegen seinen Willen zu hintertreiben.
Nachdem am Prager Hofe eine blutige
Tragödie, der vier königliche Räthe zum Opfer fielen, vorangegangen war,
erschien W. im September 1397 in Nürnberg und zog dann Ende des Jahres zu den
Kurfürsten nach Frankfurt. Zahlreiche Beschwerden wurden gegen ihn erhoben,
unter ihnen besonders lebhaft die um Mailands willen. W. hatte nämlich 1395 den
dortigen Gewalthaber, Giovanni Galeazzo, vom Reichsvicar zum Herzoge erhoben.
Die Florentiner, die Todfeinde des Visconti, arbeiteten daher in Deutschland
gegen W.; seine Handlungsweise galt als eine Entgliederung und Beraubung des
Reiches. Auch Unthätigkeit in der großen Kirchenfrage, Versäumniß der Reichsinteressen
in mancherlei Beziehungen wurden W. vorgeworfen. Er half sich durch, so gut er
konnte, und zog dann nach Reims zu einer Zusammenkunft mit dem französischen
Könige Karl VI., um über die Kirchensache zu verhandeln.
Die
Unfähigkeit des Königs trat grell zu Tage; Freunde im Reiche hatte er nicht,
und so war es nicht zu verwundern, wenn endlich der Gedanke, seinem
schmählichen Regimente durch Absetzung ein Ende zu machen, als einzig mögliche
Ausflucht aus der Zerrüttung erschien. Insbesondere der neue durchtriebene
Erzbischof von Mainz, Johann, griff ihn auf, freilich mehr in
seinem eigenen Interesse, als in dem des Reiches. Er war eng verbündet mit dem
Pfalzgrafen Ruprecht III., bei dem
neben persönlichem Ehrgeiz auch redlicher Wille für den allgemeinen Nutzen
obwaltete. Immerhin ging es langsam genug, ehe der Entschluß, der zuerst zu
Boppard im April 1399 festere Gestalt gewann, zur That wurde, und Erzbischof
Johann hatte viel zu thun, um noch andere Fürsten heranzuziehen. Allmählich
wurden die fünf Kurfürsten, die in Betracht kommen konnten, gewonnen, dagegen
machte die Frage, wer zum neuen Könige gewählt werden sollte, große Schwierigkeiten.
Auf dem Tage, der Ende Mai 1400 zu Frankfurt zusammentrat, zogen sich der
Kurfürst von Sachsen und die Braunschweiger von der Verschwörung zurück,
wahrscheinlich, weil sie nicht den Pfalzgrafen zum Könige wollten; auf der
Heimreise wurde Herzog Friedrich von Braunschweig von dem Waldecker Grafen Heinrich
überfallen und erschlagen, ein Vorfall, der größtes Aufsehen machte und dem
Mainzer Erzbischofe die übelste Nachrede eintrug. Die vier rheinischen
Kurfürsten erließen an König W. die Mahnung, auf den 11. August nach
Oberlahnstein zu kommen und dort die Gebrechen des Reiches abzustellen, widrigenfalls
sie sich der geleisteten Eide für entbunden betrachten würden. Natürlich
erschien W. nicht und so wurde er am 20. August vor den Thoren von Lahnstein
als „unnützlich, träg und für das[731] römische
Reich durchaus ungeschickt“ als abgesetzt erklärt; am folgenden Tage wählten
die Kurfürsten auf dem Königsstuhl zu Rense den Pfalzgrafen Ruprecht zum
Könige.
W. kam in seiner Erbärmlichkeit nicht
dazu, den Gegner zu bekämpfen, und zerfiel auch vollends mit Sigmund, der die
Nothlage des Bruders ausbeuten wollte. Hauptsächlich dieser Schwäche und
Uneinigkeit der gesamten luxemburgischen Familie hatte es Ruprecht zu
verdanken, wenn er sich nicht nur behaupten, sondern auch größeren Anhang
erwerben konnte, obgleich der Osten des Reiches weiter W. als König anerkannte.
Ruprecht durfte sogar eine Zeitlang hoffen, mit W. eine friedliche
Auseinandersetzung zu finden. Sie kam jedoch nicht zustande, denn W. trat
wieder eng zu Sigmund, der für sich den Reichsvicariat, für W. noch jetzt die
Kaiserkrone zu erreichen gedachte. Aber der Ungarnkönig nahm 1402 W. in Haft
und übergab ihn dem österreichischen Herzoge Wilhelm, worauf Jost wieder seine listigen
Pläne schmiedete, sich zum Herrn der Lage zu machen. Sigmund nöthigte indessen
W., die Regierung Böhmens völlig abzutreten, und raubte dessen Schatz, bis ihn
Unruhen in Ungarn nöthigten, dort zum Rechten zu sehen, und die wandelbaren
Oesterreicher im November 1403 W. aus Wien entweichen ließen. Es gelang ihm
nun, in den nächsten Jahren seine Herrschaft in Böhmen wiederherzustellen und
mit seinen Widersachern Frieden zu schließen.
Erst als durch den Abfall der beiden
Kardinalcollegien von ihren Päpsten Gregor XII. und Benedict XIII. die
Kirchensache ein ganz neues Wesen annahm, trat W. wieder bedeutsamer hervor. Er
schlug sich im Gegensatz zu König Ruprecht auf die Seite der Kardinäle und
erklärte sich zur Beschickung des nach Pisa berufenen Concils bereit. Aus
dieser Wendung ergab sich großes Unheil für die Prager Universität. W. war ganz
zum Böhmen geworden und den Deutschen abgeneigt. Da die deutschen Professoren
gegen das Concil waren, gab W. den Vorstellungen der böhmischen Partei nach und
veränderte im Januar 1409 mit einem Schlage die Verfassung der Universität zu
jener Gunsten derartig, daß die deutschen Lehrer und Studenten Prag verließen.
W. hatte dann die Genugthuung, daß das Pisaner Concil ihn als rechtmäßigen
römischen König anerkannte. Der Tod Ruprecht’s am 18. Mai 1410 erweckte in ihm
die eitle Hoffnung, wieder allgemeiner König zu werden, doch ließ er
schließlich seine Abgesandten bei der Wahl in Frankfurt am 1. October für Jost
stimmen, da die andere Partei der Kurfürsten vorher Sigmund auf den Schild
erhoben hatte. Bald wurde er wieder wankend und trat als römischer König auf.
Erst nachdem Jost am 18. Januar 1411 gestorben war, verglich sich W. mit
Sigmund, der ihm die kaiserliche Würde versprach, und gab dem Bruder am 17.
Juli 1411 seine Stimme. Den Titel eines römischen Königs behielt er bei. Für
das Reich hatte W. fortan keine Bedeutung mehr.
Mittlerweile
hatte der bei Hofe wohlgelittene Universitätsprofessor Johannes Hus seine
Predigten gegen die entartete Kirche begonnen und zugleich die meisten Sätze
des Oxforder Gelehrten John Wiclif zu seinen eigenen gemacht. Die steigende
Aufregung in Prag und der üble Ruf, in den Böhmen dadurch kam, beunruhigten W.,
so daß er Hus aufforderte, er möge die Stadt für einige Zeit verlassen. Daher war
W. ganz einverstanden, als Sigmund Hus auf das Concil nach Konstanz einlud. Er
hat dann nichts gethan, um den Magister aus dem Gefängniß zu befreien und vom
Tode zu retten. Als die Böhmen im wilden Zorn über die Verbrennung ihres
geliebten Landsmannes die Geistlichkeit antasteten und feierliche Proteste
erließen, schwankte W. furchtsam hin und her, und nur seinem Bruder Sigmund
hatte er es zu verdanken, daß das Concil nicht gegen ihn einschritt. Da der
Aufruhr stieg, drängte Sigmund W. zu scharfen [732] Maßregeln
gegen die Husiten. Dadurch wurde nur Oel ins Feuer gegossen. Die Husiten,
gereizt durch die Verhöhnung eines feierlichen Aufzuges, stürmten das Rathaus
der Neustadt Prag und warfen sieben Ratsherren zum Fenster hinaus unter die
tobende Menge. Die furchtbare Erregung zog W. einen Schlaganfall zu, dem er am
16. August 1419 erlag. Da er keine Kinder hinterließ, wurde Sigmund sein Erbe.
Der schlechte Ruf, in den W.
frühzeitig gerieth, war leider nur zu wohl begründet, obgleich viele der
schlimmen Geschichten, die von ihm erzählt werden, auf Erfindung oder Sage
beruhen. Ein Bösewicht war W. nicht, aber träg, trunksüchtig, jähzornig, unselbständig
und deshalb unvermögend, eine stetige Regierung zu führen. Das von seinem Vater
Karl begonnene Werk hat er nach allen Seiten hin zu Grunde gerichtet.
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Reichstag unter König W. Leipzig 1892. – W. Vischer, Geschichte des Schwäbischen
Städtebundes (in Forschungen zur deutschen Gesch. II. vgl. III., XV, XIX). – E.
Ebrard, Der erste Annäherungsversuch König Wenzel’s an den
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Der Schwäbisch-Rheinische Städtebund 1384. Stuttgart 1884. – P. Eschbach, Die
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Lindner, Ueber die bei der Absetzung Wenzel’s gelesenen Artikel (in Mittheil.
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Loserth, Beiträge zur Husitischen Bewegung I–V (in Archiv für Oesterreich.
Gesch. LV, LVII, LX, LXXV, LXXXII); Urkunden und Tractate betr. die Verbreitung
des Wiclifismus in Böhmen (in Mitth. – Gesch. der Deutschen in Böhmen XXV).
Empfohlene
Zitierweise:
Artikel „Wenzel,
deutscher König und König von Böhmen“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie,
herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 726–732, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenzel_(deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=2169127 (Version
vom 25. Juni
2014, 06:34 Uhr UTC)
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