Wenzel (HRR)

König Wenzel. Illustration aus derWenzelsbibel, c.1398/1395

Wenzel von Luxemburg aus dem Geschlecht der Luxemburger, Beiname: der Faule (auch Wenzeslaus, tschechisch Václav; * 26. Februar 1361 in Nürnberg; † 16. August 1419 auf der Wenzelsburg, tschechisch Nový hrad u Kunratic, heute im Stadtgebiet von Prag), war seit seiner Krönung im Kindesalter 1363 bis zu seinem Tod 1419 als Wenzel IV. König von Böhmen und von 1376 bis zu seiner Absetzung 1400 römisch-deutscher König. Von 1373 bis 1378 war er zudem Kurfürst von Brandenburg; das Haus Luxemburg vereinte somit für den Fall einer Königswahl zwei Kurstimmen, die böhmische und die brandenburgische, auf sich. Er war mitJohanna von Bayern und Sophie von Bayern verheiratet; beide Ehen blieben kinderlos.

Inhaltsverzeichnis

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·                     1 Leben

o                                     1.1 Wahl und erste Regierungsjahre

o                                     1.2 Machtkämpfe innerhalb der Familie

o                                     1.3 1400 – Abwahl

o                                     1.4 König ohne Krone – die letzten Jahre

·                     2 Bewertung

·                     3 Literatur

·                     4 Weblinks

·                     5 Anmerkungen

Leben[Bearbeiten]

Wahl und erste Regierungsjahre[Bearbeiten]

Wenzel war der älteste Sohn Kaiser Karls IV. aus dessen dritter Ehe mit Anna von Schweidnitz. Er war seit frühester Kindheit als Haupterbe vorgesehen. Karl ließ ihm Siegel anfertigen und brachte ihm bereits als Kleinkind bei, sich als wahrer Herrscher zu verhalten. Als Erzieher dienten ihm Ernst von Pardubitz, später Johann Očko von Wlašim, die ihn zu einem zwar gebildeten, aber unselbständigen und unschlüssigen Menschen heranzogen. Schon 1363 wurde Wenzel zum König von Böhmen gekrönt. Er wurde auch noch zu Lebzeiten seines Vaters am 10. Juni 1376 in Frankfurt am Main zum Rex Romanorum gewählt und vom Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden am 6. Juli 1376 gekrönt. Nach dem Tod seines Vaters trat Wenzel 1378 dessen Nachfolge als König des Heiligen Römischen Reichs an.

Reise der ersten Ehefrau Wenzels nach Prag 1370

In den Auseinandersetzungen mit der Kirche (Abendländisches Schisma), wobei er wie schon sein Vater Papst Urban VI. als rechtmäßigen Pontifex anerkannte, und den Reichsstädtebünden hatte er keine glückliche Hand. Es kam zu Kampfhandlungen mit einem süddeutschen Städtebund, als er die schwäbischen Landvogteien den Habsburgern übertragen wollte. Wenzel kümmerte sich fast gar nicht um die Reichsangelegenheiten. Er kam erst 1383 nach Nürnberg, doch wollte der Städtebund den von ihm verordneten Landfrieden, der auch erstmals die Einteilung des Reiches in Kreise vorsah, nicht anerkennen, da dies dessen Auflösung bedeutet hätte. Mit dem Landfrieden von Eger stellte er sich auf die Seite der Fürsten, aber gegen die städtischen Bünde. Was ihm in Böhmen einigermaßen gelang, nämlich die Ordnung aufrechtzuerhalten, misslang ihm in Deutschland. Zudem nahm Wenzels Verhalten mehr und mehr despotische Züge an. Zu der allgemeinen Unzufriedenheit trugen auch seine unfähigen Berater bei. Nachdem Wenzel sich zudem mit niederem Adel und bürgerlichen Beratern umgab, formierte sich auch in Böhmen der Widerstand des Adels, der von der Unfähigkeit Wenzels und seiner Brutalität genug hatte, die auch in der Folterung und Ermordung des Prager Generalvikars Johann von Nepomuk, des verhassten Beichtvaters seiner Frau, zum Ausdruck kam.[1]

Machtkämpfe innerhalb der Familie[Bearbeiten]

Schließlich brachen auch innerhalb der Luxemburger-Dynastie Machtkämpfe aus, angefacht durch seinen Cousin Jobst von Mähren. Am 8. Mai 1384 wurde Wenzel von den Vertretern des Adels in Königshof gefangen genommen. Den König setzte man in Prag fest und Jobst übernahm die Verwaltung. Gleichzeitig bemühte sich Wenzels jüngerer Bruder, Johann von Görlitz, um dessen Befreiung. Wenzel wurde daraufhin auf die Burg Wildberg in Oberösterreich verlegt. Es kam zu erfolgreichen Verhandlungen über die Freilassung des Regenten, allerdings mit für ihn harten Bedingungen, die Wenzel später jedoch nicht einhielt. Nach seiner Rückkehr musste er sich verpflichten, die Rebellen, darunter Kaspar und Guandar von Starnberg, Heinrich III. von Rosenberg, Heinrich III. von Neuhaus und andere böhmische Adelige, die am Aufstand teilgenommen hatten, nicht zu bestrafen.

1394 lud Jobst von Mähren führende Mitglieder des böhmischen Adels nach Prag ein, darunter Heinrich von Rosenberg auf Krumau, Heinrich der Ältere von Neuhaus, Brenek von Fels und Schwihau, Otto der Ältere von Bergow, Heinrich Berka von Duba auf Hohenstein, Wilhelm von Landstein, Jan Michalec z Michalovic a na Mladé Boleslavi, Boček II. von Podiebrad und Boresch IX. von Riesenburg der Jüngere. Am 5. Mai 1394 veröffentlichten sie eine gemeinsame Erklärung für ein Vorgehen zum Wohle des tschechischen Volkes und gegen den König.

Im April überfielen Boresch von Riesenberg und Bohuslav von Schwanberg mit weiteren Herren die Burg Toužim und nahmen Propst Georg fest, den Boresch anschließend auf der Burg Riesenburg festhielt. Der König reagierte wutentbrannt auf diesen Affront und befahl dem Prager Burggrafen Otto von Berg, ein Heer zusammenzustellen und die Aufständischen zu bestrafen. Otto folgte, zog jedoch mit den Soldaten nicht gegen die Rebellen, sondern gegen den König selbst. Während seiner Rückkehr von seinerBurg Žebrák wurde Wenzel gefangen genommen und im Weißen Turm auf der Prager Burg inhaftiert.

Wenzel wurde gezwungen, seinen Cousin, den Markgrafen Jobst, zum Hauptmann des böhmischen Königreichs zu ernennen. Ihm schlossen sich dann weitere böhmische Aristokraten an. Auf die Seite Wenzels schlug sich jedoch sein Bruder Johann von Görlitz, der in Kuttenberg eine Armee zusammenstellte. Die Rebellen zogen sich daraufhin mit dem König nach Südböhmen zurück. Zwischen beiden Lagern entbrannte ein erbitterter Krieg. Johann ließ die Höfe und Ländereien der Rosenberger plündern und besetzte Budweis. Am 30. Juni 1394 schloss man Frieden und Wenzel wurde wieder entlassen.

Der Frieden hielt nicht, und Ende 1394 trafen sich die Landesherren, diesmal in Alttabor wieder. Markgraf Jobst erhielt Unterstützung vom Meißner Markgrafen Wilhelm und dem von Verhandlungen mit seinem Bruder enttäuschten Johann von Görlitz. Die neue Koalition, an der sich diesmal auch Boresch VII. der Ältere beteiligte, traf sich mit dem König auf seiner Burg Žebrák. In den von den höheren Adeligen vorgelegten Forderungen sollten diese alle wichtigen Ämter erhalten und damit das Land kontrollieren und verwalten. Auch dieses Friedensabkommen hielt nicht lange. Wenzel inhaftierte den Markgrafen Jobst und Boček II. von Podiebrad; gegen andere, darunter auch die Riesenburger, sollte ein Heer aufgestellt werden, angeführt von Bořivoj ze Svinař.

1395 wurde Jobst entlassen und zu Verhandlungen zugelassen, dies jedoch auf Kosten des Königsbruders Johann von Görlitz. 1396 versuchte Wenzel, die Lage wieder in den Griff zu bekommen und bat seinen Bruder Sigismund um Hilfe. Durch dessen Vermittlung konnte am 2. April 1396 ein weiterer Frieden geschlossen werden, wiederum zu Gunsten der böhmischen Landesherren.

1397 verschärfte sich die Lage wieder, da der König neben den Mitgliedern des hohen Adels auch wieder seine Günstlinge im niederen Adel bei der Verteilung von Posten berücksichtigte. Der neu entstandenen Opposition unter der Führung des mährischen Markgrafen Prokop, die sich zum Ziel erklärte, gegebenenfalls die Günstlinge des Königs auch unter Anwendung von Gewalt zu beseitigen, schloss sich auch Boresch an. Verhandlungen fanden am 11. Juni 1397 auf der Burg Karlštejn statt. Die Interessen des abwesenden Königs vertrat Herzog Hanusch. Während der Verhandlungen ließen die Abtrünnigen des Königs die Ausgänge des Verhandlungssaales mit Bewaffneten besetzen und beriefen vier der königstreuen Berater in den Konferenzraum. Sobald diese eintraten, beschuldigte Hanusch den eingetroffenen Burchard Strnada z Janovic, ein Verräter zu sein, zog sein Schwert und durchbohrte ihn. Johann Michales von Michalowitz und Boresch von Riesenburg warfen sich auf die übriggebliebenen waffenlosen Räte und töteten sie. Lediglich Markolt z Vrutic gelang die Flucht, er starb jedoch kurz darauf an seinen schweren Verletzungen. Daraufhin begaben sich die Mörder zum König in Königshof und gestanden ihm die Tat. Wenzel nahm die Nachricht über den Tod seiner Anhänger apathisch auf. Einen Monat später bezichtigte er selbst seine ermordeten Räte des Verrats.

1400 – Abwahl[Bearbeiten]

Am 20. August 1400 wurde Wenzel als eynen unnüczen, versümelichen, unachtbaren entgleder und unwerdigen hanthaber des heiligen Romischen richs (hochdeutsch: unnützer, träger, unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des Heiligen Römischen Reiches)[2] von den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln und Ruprecht, dem Pfalzgrafen bei Rhein, auf der Burg Lahneck in Oberlahnstein für abgesetzt erklärt. Ruprecht aus dem Hause Wittelsbach wurde am folgenden Tag in Rhens von den gleichen vier Kurfürsten zum König gewählt.

König ohne Krone – die letzten Jahre[Bearbeiten]

Auch in Böhmen regte sich aufs Neue die Opposition des hohen Adels, diesmal wieder mit dem Meißner Markgrafen Wilhelm, der jedoch nach dem Friedensvertrag von 1401 aus dem Land wieder abziehen musste. Auf Druck der Aristokraten berief Wenzel seinen Bruder Sigismund nach Böhmen, mit dem er in Königgrätz 1402 eine Vereinbarung traf, mit der er ihm faktisch die Verwaltung von Böhmen überließ und ihm die böhmische Krone nach seinem Tod versprach. Sigismund sollte ihm dafür zum Rückgewinn der Reichskrone verhelfen. Der ungarische König übernahm die Macht und besetzte nach und nach die Königsburgen, hatte jedoch mit dem Versprechen, das er seinem Bruder gegeben hatte, keine Eile.

Wenzel begehrte auf. Sein Bruder ließ ihn daraufhin am 6. März 1402 in Prag festnehmen. Johann von Bucca, Heinrich III. von Rosenberg, Ulrich von Neuhaus, Břeněk ze Skály und Otto von Berg wurden zu Landesverwaltern ernannt. Unter Begleitung Sigismunds wurde Wenzel zunächst nach Krumau und von dort auf die Burg Schaunberg bei Pupping gebracht. Nun stellten sich wieder einige der böhmische Landesherren, angeführt von Jobst von Mähren, auf seine Seite, da sie in Sigismund eine größere Gefahr sahen als in dem manipulierbaren Wenzel. Der Kampf zwischen den Böhmen und dem ungarischen König zog sich bis 1403 hin. Als dann Unruhen in Ungarn ausbrachen, wurde Sigismund gezwungen, Böhmen zu verlassen. Nach einer weiteren Internierung in Wien gelang Wenzel am 11. November 1403 die Flucht.

Böhmischer König blieb Wenzel bis zu seinem Tod, zumal er formal weiter auf sein Recht als römisch-deutscher König pochte. 1410 nach dem Tod Ruprechts von der Pfalz ging die Herrschaft wieder an die Luxemburger zunächst an den Vetter Wenzels Jobst von Mähren und dann 1411 an den Bruder Wenzels, Sigismund, neuer römisch-deutscher König. Beide Brüder einigten sich, so dass Sigismund auch auf Wenzels Hausmacht hoffen konnte. So stellten die Luxemburger von 1308 bis 1437 fünf deutsche Könige, diese Liste wurde unterbrochen für 17 Jahre durch die beiden Wittelsbacher Ludwig IV. den Bayer und Ruprecht von der Pfalz.

Im Jahre 1419 spitzte sich der Konflikt mit den Hussiten zu. Ende Juli 1419 gelang es ihnen, Prag in ihre Hand zu bekommen, wozu auch Wenzels immer mehr als tyrannisch empfundene Herrschaft beigetragen hat. Wenzel floh, doch starb er schon am 16. August desselben Jahres. Nach Wenzels Tod trat Sigismund auch dessen Nachfolge als böhmischer König an.

Bewertung[Bearbeiten]

In seinem persönlichen Charakter wird Wenzel als Paranoiker und als Tyrann beschrieben, der mit der Reitpeitsche um sich schlug, seine großen Hunde auf unliebsame Menschen in seiner Umgebung hetzte oder diese sogar aus fadenscheinigsten Gründen hinrichten ließ.[3] Er spielt auch eine Hauptrolle in der Geschichte von Johann von Nepomuk, den er angeblich deshalb in die Moldau hat werfen lassen, weil er ihm die Beichtgeheimnisse seiner Frau nicht habe preisgeben wollen. In Wahrheit ging es um politische Differenzen. Die meiste Zeit seiner Regierung soll Wenzel in einem Zimmer mit seinen Jagdhunden eingeschlossen verbracht haben.

Wenzel war vermutlich seit dem Tod seiner ersten Frau Alkoholiker; das wurde am 23. März 1398 zum öffentlichen Skandal, als der betrunkene König Wenzel nicht am Festmahl des französischen Königs Karl VI. in Reims teilnehmen konnte. Zweimal war Wenzel festgesetzt worden (1394 und noch einmal 1402–03, das letzte Mal unter Zutun seines Bruders Sigismund, der von Wenzel als Reichsvikar zu einem seiner Stellvertreter ernannt worden war). Wenzel, der sich nie ernsthaft um die Kaiserkrone bemühte (was sonst alle römisch-deutschen Könige des Spätmittelalters getan hatten) und sich nicht mit fähigeren Ratgebern umgab, als es noch Zeit gewesen wäre das Blatt zu wenden, bleibt eine Gestalt ohne sympathische Züge. Politisch muss man ihm vorwerfen, dass ihm trotz seiner Bildung und seiner Wissensneigung sowohl der Realitätssinn als auch das Gespür für die Politik fehlten, die noch seinen Vater ausgezeichnet hatten. Seine politischen Entscheidungen waren nicht voraussehbar. Die Lösung von Problemen verschob er meist oder reagierte unüberlegt und übereilt. Er verlor die weisen Ratgeber seines Vaters und umgab sich mit einem Hof, der sich meist aus Angehörigen der unteren Adelsschicht zusammensetzte, die umso ehrgeiziger und unnachgiebiger handelten. Im Land kam es dadurch zu immer neuen Konflikten, die nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung hemmten.

In Böhmen verstärkte die Unbeliebtheit Wenzels die Herausbildung eines tschechischen Nationalcharakters, der sich vor allem durch den Gegensatz zum Deutschen definierte.

Der Europarat hat 1995 einen Kulturweg in Luxemburg und Frankreich mit dem Namen „Die Rundwege von Wenzel und Vauban“ versehen.[4]

Literatur[Bearbeiten]

·                    Marco Innocenti: Wenzel IV. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 24, Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-247-9, Sp. 1521–1531.

·                    Martin Kintzinger: Wenzel. In: Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519). Beck, München 2003, S. 433–445, ISBN 3-406-50958-4.

·                    Wilhelm Klare: Die Wahl Wenzels von Luxemburg zum römischen König 1376 (zugleich Dissertation an der Universität Münster 1989). Lit, Münster u.a. 1990, ISBN 3-88660-559-0.

·                    Theodor Lindner: Wenzel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 41, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 726–732.

·                    Heinz Rieder: Wenzel. Ein unwürdiger König. Zsolnay, Wien u.a. 1970 .

·                    Herbert Rosendorfer: Deutsche Geschichte. Teil 2: Von der Stauferzeit bis zu König Wenzel dem Faulen. dtv 13152, München 2003, ISBN 978-3-423-13152-0.

Weblinks[Bearbeiten]

 Wikisource: Wenzel – Quellen und Volltexte

 Commons: Wenzel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

·                    Literatur von und über Wenzel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Anmerkungen[Bearbeiten]

1.     Hochspringen Rosendorfer, Herbert: Deutsche Geschichte - ein Versuch, Vom Morgendämmern der Neuzeit bis zu den Bauernkriegen, S. 24

2.     Hochspringen Absetzungsurkunde Wenzels, abgedruckt in Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit / bearb. von Karl Zeumer, Seite 223-226, im Volltext bei Wikisource

3.     Hochspringen Rosendorfer, Herbert: Deutsche Geschichte - ein Versuch, Vom Morgendämmern der Neuzeit bis zu den Bauernkriegen, S. 23 f.

4.     Hochspringen Council of Europe: The Vauban and Wenzel Routes

Vorgänger

Amt

Nachfolger

Karl IV./I.

Römisch-deutscher König
1376–1400

Ruprecht

Karl IV./I.

König von Böhmen
1378–1419

Sigismund

Otto V.

Kurfürst von Brandenburg
1373–1378

Sigismund

Wenzel I.

Herzog von Luxemburg
1383–1388

Jobst von Mähren

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·                     König (HRR)

·                     Kurfürst (Böhmen)

·                     Kurfürst (Brandenburg)

·                     Herzog (Luxemburg)

·                     Haus Limburg-Luxemburg

·                     Person (Nürnberg)

·                     Geboren 1361

·                     Gestorben 1419

 

Wenzel, Deutschlands schlechtester König

In der Stadt Reims wollte König Karl VI. von Frankreich am 24. März 1398 den deutschen König Wenzel empfangen, um über die Beilegung der christlichen Kirchenspaltung zu beraten. Doch dafür war der König viel zu betrunken. Es war nicht die einzige Blamage, welche Wenzel dem Ansehen des deutschen Königtums zufügte.

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Von Jan von Flocken

Wenzel von Böhmen, eine Blamage seiner Zunft

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Foto: A0009_dpa

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Schon im Alter von zwei Jahren ließ Wenzels Vater, Kaiser Karl IV., ihn 1363 zum König von Böhmen krönen. Karl war ein kluger und diplomatischer Herrscher, der sich sehr bemühte, das immer stärker divergierende Deutsche Reich zusammenzuhalten. Allerdings begünstigte er sein böhmisches Stammland in auffallender Weise und verlegte die kaiserliche Hauptresidenz nach Prag.

Nach dem Tod Karl IV. Ende 1378 übernahm der junge Wenzel die Regierung. Er verstand es zunächst geschickt, die rivalisierenden Fürsten, Städtebünde und Ritterbruderschaften zu neutralisieren. Irgendwelche Bestrebungen, die Kaiserkrone zu erlangen, unternahm er nie, was für einen römisch-deutschen König recht ungewöhnlich war und in den vergangenen Jahrhunderten nie vorgekommen war. Lieber ging Wenzel auf die Jagd. Er betrieb dies so leidenschaftlich, dass er Tag und Nacht von einer Meute riesiger Jagdhunde umgeben war.

Am letzten Tag des Jahres 1386 geschah eine persönliche Katastrophe. Einer der Jagdhunde fiel Wenzels Gemahlin Johanna von Bayern an und biss sie zu Tode. Seit diesem Zeitpunkt veränderte sich Wenzels Wesen, er ergab sich hemmungslos dem Alkohol, wurde träge und bösartig. Manchmal bekam er furchtbare Wutanfälle. 1393 zerstritt er sich mit dem Prager Erzbischof, ließ einige seiner Berater verhaften und foltern, wobei er selbst Hand anlegte. Der Generalvikar Johann von Pomuk wurde auf Wenzels Befehl an ein Holzkreuz gebunden und am 20. März 1393 in der Moldau ertränkt. Daraus entstand die Legende vom Heiligen Nepomuk, der sterben mußte, weil er das Beichtgeheimnis der Königin nicht verraten wollte.

Sein ständiger Begleiter war ein Henker

In der Folgezeit benahm Wenzel sich wie ein unzurechnungsfähiger Despot. Seine Begleiter waren jetzt nicht nur die Hunde, sondern auch ein Henker, den er vertraulich "Gevatter" nannte. Er soll sogar einen Koch, dessen Speise nicht gelungen schien, zur Strafe auf den Bratspieß gesteckt haben. Wahrscheinlich ist das nur ein Gerücht, es zeigt aber, dass man dem König solche Untaten durchaus zutraute.

Das Deutsche Reich versank derweil in Anarchie. Mehrere Kurfürsten taten sich deshalb zusammen und am 20. August 1400 wurde Wenzel von Böhmen als "unnützer, träger, unachtsamer Entgliederer und unwürdiger Inhaber des Reiches" für abgesetzt erklärt und statt dessen der Pfalzgraf Ruprecht zum König gewählt.

Wenzel bekam daraufhin wieder einen Wutanfall und ließ große Töne hören: "Ich will das rächen oder darum tot sein. Ruprecht soll so tief hinab, als er hoch auf den Stuhl gesetzt worden ist. Ich will ihn tot stechen oder er muß mich tot stechen!" Natürlich geschah nichts dergleichen. Vielmehr wurde Wenzel 1402 von seinem eigenen Halbbruder Sigmund, dem späteren Kaiser, gefangen genommen und 19 Monate zu Wien inhaftiert. 1403 bestätigte der Papst seine Absetzung als deutscher König.

Wenzel brachte den Lehrbetrieb an der Prager Universität zum Erliegen

Nach seiner Entlassung regierte Wenzel noch 16 Jahre in Böhmeneigensinnig und despotisch, wie es seine Art war. 1409 beschnitt er die Freiheiten der Prager Universität. Daraufhin verließen sämtliche deutschen Professoren und Studenten das Gebäude; der Lehrbetrieb kam zum Erliegen. Anfangs mit der Reformbewegung des Jan Hus sympathisierend, schwenkte Wenzel nach dessen Hinrichtung als Ketzer 1415 um und erließ mehrere Edikte gegen die Hussiten.

Am 30. Juli 1419 kam es in der Prager Neustadt deshalb zum Aufruhr. Ein Hussitenhaufe stürmte das Rathaus, warf den Bürgermeister und mehrere königstreue Ratsherren aus dem Fenster, die vom wütenden Pöbel mit Spießen und Heugabeln aufgefangen wurden. Wenzel war über diese Vorfälle so entsetzt, dass ihn ein Schlaganfall traf, an dem er am 16. August 1419 starb. Mit seiner Person verkörperte er den Tiefpunkt des deutschen Königtums.

Mehr Anekdoten aus der Geschichte, erzählt von Jan von Flocken, finden sich in dem Buch "111 Geschichten zur Geschichte"

 

ADB:Wenzel (deutscher König)

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Band 41 (1896), S. 726–732. (Quelle)

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Wenzel (der sich in deutschen Urkunden: Wenczlaw, in lateinischen: Wenceslaus schreiben ließ), deutscher König und König von Böhmen († 1419), wurde als ältester Sohn Karl’s IV. am 26. Februar 1361 in Nürnberg geboren. Seine Mutter war Anna von Schweidnitz-Jauer, die dritte Gemahlin Karl’s. Unzweifelhaft wählte der Vater zum Ort der Niederkunft absichtlich Nürnberg, damit der erhoffte Thronerbe, den er sich gleich als künftiges Reichsoberhaupt dachte, auf deutschem Boden das Licht der Welt erblicken sollte. Darum wurde auch die am 11. April in der Sebalduskirche vollzogene Taufe mit unerhörter Pracht gefeiert, in Gegenwart aller zu Gaste geladenen Kurfürsten. Schon am 15. Juni 1363 ließ Karl das Kind in Prag zum Könige von Böhmen krönen; am [727] 29. September 1370 wurde der siebenjährige Knabe in Nürnberg mit Johanna, der Tochter des Herzogs Albrecht von Baiern-Holland vermählt, nachdem Karl zwei frühere Eheverabredungen aufgehoben hatte. Ueber die Erziehung des Prinzen ist wenig bekannt, jedenfalls verwandte der Vater auf sie die größte Sorgfalt. Um W. frühzeitig für seine künftige Thätigkeit vorzubereiten und zugleich in Deutschland bekannt zu machen, nahm ihn der Kaiser auf seinen Fahrten durchs Reich mit und zog ihn zu allen wichtigen Sachen heran. Nachdem Karl die Mark Brandenburg erworben hatte, begann er, die Wahl Wenzel’s zum deutschen Könige zu betreiben, und es gelang ihm durch großartige Vergabungen an die Kurfürsten und eine sehr gewandte Politik, sein Ziel zu erreichen. W. wurde einhellig am 10. Juni 1376 in Frankfurt gewählt und am 6. Juli in Aachen gekrönt, ohne daß der Papst seinen Anspruch auf vorherige Approbation durchsetzen konnte. Im folgenden Jahre ernannte Karl den jungen König zum Reichsverweser und ließ ihn den Frieden mit dem schwäbischen Städtebunde abschließen. W. begleitete später den kaiserlichen Vater auf der Reise an den französischen Hof. Schon am 29. November 1378 machte der Tod Karl’s IV. W. zum selbständigen Regenten Deutschlands und Böhmens.

W. war ein stattlicher starker Jüngling von leidlicher Begabung. Er besaß mancherlei Wissen und Interesse für Kunst und Litteratur. Davon zeugen die Reste der Bibliothek, welche er sich anlegen ließ, Handschriften theologischen, juristischen, naturwissenschaftlichen und poetischen Inhalts, geschmückt mit prachtvollen Miniaturen, deren Vorwürfe meist mit vielem Humor aus Sage und Dichtung geschöpft sind. Auch die von Karl IV. begonnenen Bauwerke führte W. weiter. Nicht ohne Witz faßte er schnell und gab schlagfertigen Bescheid. Doch früh regte sich in ihm die Neigung zu müssigem Umherschweifen auf der Jagd und zu fröhlichen Gelagen.

W. trat in arg verwirrte öffentliche Verhältnisse ein. Noch bei Karl’s Lebzeiten hatten die Kardinäle das große Schisma hervorgerufen, indem sie dem erstgewählten Papste Urban VI. einen zweiten in Clemens VII., der später nach Avignon ging, entgegenstellten. W. erklärte sich für Urban, suchte dessen Anerkennung im Reiche durchzusetzen und auch die auswärtigen Mächte für ihn zu gewinnen. Daher vermählte er 1381 seine Schwester Anna mit dem englischen Könige Richard II., eine Verbindung, die dann eigene Folgen hatte. Die Mehrheit im Reiche folgte dem Könige. Erzbischof Adolf von Mainz, der sich zu Clemens geschlagen hatte, wurde durch große Zugeständnisse zum römischen Papste zurückgeführt, allein Herzog Leopold III. von Oesterreich hielt zu Avignon, und da W. aus mancherlei politischen Gründen auf ihn Rücksicht nehmen mußte, kam keine völlige Kircheneinheit zu Stande. Doch trat die Frage eine Zeit lang in den Hintergrund, weil das Schisma selbst versumpfte.

W. wollte nach dem Beispiele des Vaters die Reichssachen möglichst im Einvernehmen mit den Kurfürsten regeln und leiten. Aber die rheinischen, welche allein in Betracht kamen, hielten W. bald für zu nachlässig und verlangten daher, weil der König in seinem böhmischen Sitze dem Reiche zu fern war, schon 1380, er möge mit ihrem Beirathe einen Reichsverweser bestellen. Immer wieder tauchte später diese Idee auf. Es handelte sich also von Anfang an nicht darum, den König abzusetzen, sondern die Kurfürsten wollten neben ihm eine kräftigere Regierungsgewalt im Reiche haben. Diese hätte allerdings unter ihrem Einflusse gestanden, dennoch ist es nicht zutreffend, in dem Verhalten der Kurfürsten lediglich nackten und gemeinen Eigennutz zu erblicken. Sie erstrebten in ihrer Weise das Wohl des Reiches; daß freilich der König auf diese Wünsche nicht einging, ist leicht verständlich.

W. wandte bald sein vornehmliches Interesse den Dingen außerhalb des Reiches [728] zu. In Verflechtung mit der Kirchensache hatte er sich dem Könige Ludwig dem Großen von Ungarn-Polen genähert und die schon früher angebahnte Verlobung seines jüngeren Bruders Sigmund (s. A. D. B. XXXIV, 267 ff.) mit dessen ältester Tochter Maria vollzogen. Als Ludwig 1382 starb, dauerte es geraume Zeit, ehe Sigmund seine Braut zur Gemahlin und dann auch 1387 die ungarische Krone gewann. W. hat ihn reichlich unterstützt und zog 1386 in Person mit Heeresmacht nach Ungarn. Darüber versäumte er, den lange gehegten Plan auszuführen, durch eine Romfahrt die Kaiserkrone zu erwerben und seiner Würde die rechte Weihe zu geben. Von seinem Bruder erntete er gleichwol schlechten Dank; Sigmund und noch mehr der Vetter, der schlimme Markgraf Jodocus oder Jost von Mähren (s. A. D. B. XIV, 106 ff.) wurden die bösen Geister des Königs und verschuldeten später hauptsächlich seinen Niedergang.

W. bewahrte ähnlich dem Vater, aber nicht mit dessen weitschauendem Blick, eine friedliche Haltung. Mit Frankreich hielt er gute Freundschaft, obgleich dieses Reich eine andere Kirchenpolitik verfolgte. So stellte er sich auch zu den Gegensätzen innerhalb Deutschlands. Ihr hauptsächlicher Grund waren die Städtebündnisse. Die schwäbischen Reichsstädte, Ulm an der Spitze, hatten in der Furcht, die Kosten der Wahl Wenzel’s tragen zu müssen, bald nach ihr einen Bund geschlossen zur Vertheidigung ihrer Freiheit und zur Abwehr ungerechter Beschatzung. Karl hatte diese Einigung nicht unterdrücken können; sie wuchs weiter an Stärke und Zahl der Mitglieder. Ihr trat eine andere am Rhein zur Seite. Im März 1381 verbündeten sich die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau und Weißenburg zu gegenseitiger Hilfe in ihren Kriegen. Sie trieb die Sorge vor den großen Ritterbündnissen, welche sich damals in weitester Ausdehnung bildeten. Schon im Juni desselben Jahres schlossen die beiden Städtebündnisse einen Vertrag miteinander und gelobten sich Beistand gegen Angriff und Raub, auch gegen jeden, der die Städte von ihrem Bunde trennen wollte. In der That brach bald der Krieg mit den Rittern aus, doch Herzog Leopold beschwichtigte ihn durch die sogenannte Ehinger Einigung vom April 1382. Der Oesterreicher spielte auch in diesen Dingen eine gewichtige Rolle, denn sein Streben war darauf gerichtet, in Schwaben die Vorherrschaft zu erlangen.

Auf die Städtebündnisse sahen die Fürsten mit großer und nicht ungerechtfertigter Besorgniß. Sie verlangten vom Könige ihre Auflösung, aber W., in dem Bewußtsein, daß er alsdann einem schweren Kriege entgegenginge, dessen Last er schließlich allein zu tragen gehabt hätte, hatte wenig Neigung zu dem gefährlichen Unternehmen. Doch besaß seine Politik keine Festigkeit; je nach den wechselnden Verhältnissen und dem Einflusse, den einzelne Persönlichkeiten und namentlich Herzog Leopold auf ihn ausübten, war er den Fürsten mehr oder weniger willfährig. Da die Kurfürsten hofften, durch Landfrieden die Städte zu binden und in ihrem Verhalten zu bestimmen, errichtete W. im März 1383 zu Nürnberg einen großen Landfrieden für das ganze Reich und die Dauer von zwölf Jahren, der zwar die Städte nicht grundsätzlich ausschloß, aber ihnen wie ein gegen sie gerichtetes fürstliches Bündniß erschien. Die herrschende Spannung veranlaßte die Erweiterung der Städtebünde; dem schwäbischen traten außer anderen Städten Basel und Nürnberg, letzteres freilich in friedlicher Absicht bei. W., ohnehin verstimmt, weil die Absicht, einen Reichsverweser in deutschen Landen zu erlangen, wieder verlautete, brachte daher im Juli 1384 in der Heidelberger Stallung einen Waffenstillstand zwischen beiden Parteien zustande. Er erkannte zwar die beständig an Mitgliedern zunehmenden Städtebündnisse nicht öffentlich an, aber suchte bereits Verständigung mit ihnen. [729] Das einzige Ergebniß war jedoch eine Ausplünderung der Juden, bei denen der König auch ein freilich nicht allzu großes Geschäft machte.

Während der rheinische Bund über den eigentlichen Zweck, die Vertheidigung gegen kriegerische Angriffe, nicht hinausschreiten wollte und eine sehr vorsichtige, kühne Pläne ablehnende Haltung einnahm, ging der schwäbische entschlossener vor und vereinbarte im Februar 1385 einen Vertrag mit den Schweizern, mit Bern, Solothurn, Zürich, Zug und Luzern: die Länder Schwiz, Uri und Unterwalden nahmen jedoch nicht Theil. Beide Parteien fürchteten den Herzog Leopold, mit dem damals auch der König zerfallen war. Als jedoch im Sommer 1386 die Schweizer mit dem österreichischen Herzog in Kampf geriethen, blieb ihnen allein überlassen, den Streit auszufechten. Sie errangen am 9. Juli 1386 den berühmten Sieg bei Sempach, wo Leopold mit zahlreichen Rittern fiel.

W. gerieth bald nachher in große Aufregung. Einer Aufforderung der Kurfürsten folgend kam er im März 1387 nach Würzburg und gab dort am 21. März den schwäbischen Städten das mündliche Versprechen, ihren Bund nie abzuthun noch zu widerrufen, und sicherte ihnen schriftlich zu, sie mit einander bei sich und dem Reiche zu erhalten und sie gegen alle Beeinträchtiger ihrer Rechte und Freiheiten zu unterstützen. Die Städte gelobten dafür schriftlich, ihm innerhalb Deutschlands beizustehen, wenn sich jemand gegen ihn als römischer König aufwerfen und ihn vom Königreiche drängen wolle. Die vier rheinischen Kurfürsten dagegen verabredeten am 23. April in Oberwesel, nur gemeinsam zu genehmigen, wenn W. das Reich an jemand anders wenden wolle. Wahrscheinlich handelte es sich auch jetzt um die Einsetzung eines Reichsverwesers in Deutschland; die in ihrem Verlaufe ziemlich dunkle Angelegenheit, in die auch die Kirchenfrage hineinspielte, hatte keine Folgen.

Der so lange hingehaltene Krieg kam zum Ausbruch, als die Herzöge Stephan und Friedrich von Baiern im November 1387 den Verbündeten der schwäbischen Städte, Erzbischof Pilgrim von Salzburg, treulos gefangen nahmen. W. sagte zwar den Friedensstörern Krieg an, doch ließ er es bei einem Drohbriefe bewenden und sah unthätig dem Gange der Dinge zu. Nachdem die schwäbischen Städte im Juni 1388 die Niederlage bei Döffingen erlitten hatten, nahmen auch die rheinischen mit größerer Anstrengung am Kampfe theil, so daß nun ganz Süddeutschland in Waffen stand. Auch sie fochten im Felde mit Unglück, die Fürsten dagegen konnten keine Stadt erobern; beide Theile begnügten sich hauptsächlich mit schwerer Verwüstung des offenen Landes. Allmählich wandte sich W. den Fürsten zu. Er heirathete damals, nachdem er vergebens um eine portugiesische Prinzessin geworben hatte, Sophie (in Böhmen auch Euphemie, Offney genannt), die Tochter des Herzogs Johann von Baiern-München, da seine erste Gemahlin 1386 an der Pest gestorben war. W. knüpfte auch mit dem ihm bisher feindlichen Erzbischof Adolf von Mainz an, unter dem Vorwande, dem Throne entsagen zu wollen, vermuthlich, um sich den drohenden Reichsvicariat eines deutschen Fürsten fernzuhalten.

Auf dem Reichstage zu Eger, Anfang Mai 1389, gebot W. allen Reichsstädten, ihre Bündnisse aufzugeben und in den von ihm gleichzeitig verkündigten allgemeinen Landfrieden einzutreten. Die Städte gehorchten, die einen gleich, die anderen zögernd. Der große Kampf, der nicht als ein grundsätzlicher zwischen Bürgerthum und Fürstenschaft zu betrachten ist, sondern sich auf die Reichsstädte beschränkte und mehr aus einzelnen Streitfällen und der allgemeinen feindseligen Stimmung herausgewachsen war, ging damit zu Ende.

Der König kam lange Jahre nicht mehr ins Reich. Ihn übermannten Trägheit und Trunksucht, seine Verwandten boten alles auf, ihm in Böhmen Schwierigkeiten zu machen, um dabei ihren Vortheil zu suchen. W. wurde [730] darüber gereizt und leidenschaftlich; vergaß er sich doch soweit, daß er 1393 bei Gelegenheit eines schweren Streites mit dem Prager Erzbischof Johann von Jenzenstein (s. A. D. B. XIV, 321) den Generalvicar Pomuk grausam foltern und den Halbtodten in die Moldau stürzen ließ. Schließlich kam es dahin, daß Markgraf Jost und die mit ihm verschworenen böhmischen Barone W. am 8. Mai 1394 in Beraun gefangen nahmen und später in Haft nach dem österreichischen Schlosse Wildberg bei Linz brachten. Das war den Deutschen zu arg; PfalzgrafRuprecht II. bewirkte als Reichsverweser die Freilassung des Königs. In Böhmen dauerten die Unruhen weiter; der jüngste Bruder des Königs, Herzog Johann von Görlitz (s. A. D. B. XIV, 216), starb darüber und erst Sigmund von Ungarn, dann, als dieser gegen die Türken zu Felde zog, Jost von Mähren rissen die führende Stelle an sich. Schließlich richteten die Kurfürsten im October 1395 an W. die Aufforderung, endlich ins Reich zu kommen, „sonst würden sie gedenken, was sie dazu zu thun hätten“. Als W. nicht erschien, hielten sie im Mai 1397 eine Reichsversammlung in Frankfurt ab und erreichten damit thatsächlich, daß W. sich nunmehr aufmachte, um die Einsetzung eines Reichsvicars gegen seinen Willen zu hintertreiben.

Nachdem am Prager Hofe eine blutige Tragödie, der vier königliche Räthe zum Opfer fielen, vorangegangen war, erschien W. im September 1397 in Nürnberg und zog dann Ende des Jahres zu den Kurfürsten nach Frankfurt. Zahlreiche Beschwerden wurden gegen ihn erhoben, unter ihnen besonders lebhaft die um Mailands willen. W. hatte nämlich 1395 den dortigen Gewalthaber, Giovanni Galeazzo, vom Reichsvicar zum Herzoge erhoben. Die Florentiner, die Todfeinde des Visconti, arbeiteten daher in Deutschland gegen W.; seine Handlungsweise galt als eine Entgliederung und Beraubung des Reiches. Auch Unthätigkeit in der großen Kirchenfrage, Versäumniß der Reichsinteressen in mancherlei Beziehungen wurden W. vorgeworfen. Er half sich durch, so gut er konnte, und zog dann nach Reims zu einer Zusammenkunft mit dem französischen Könige Karl VI., um über die Kirchensache zu verhandeln.

Die Unfähigkeit des Königs trat grell zu Tage; Freunde im Reiche hatte er nicht, und so war es nicht zu verwundern, wenn endlich der Gedanke, seinem schmählichen Regimente durch Absetzung ein Ende zu machen, als einzig mögliche Ausflucht aus der Zerrüttung erschien. Insbesondere der neue durchtriebene Erzbischof von Mainz, Johann, griff ihn auf, freilich mehr in seinem eigenen Interesse, als in dem des Reiches. Er war eng verbündet mit dem Pfalzgrafen Ruprecht III., bei dem neben persönlichem Ehrgeiz auch redlicher Wille für den allgemeinen Nutzen obwaltete. Immerhin ging es langsam genug, ehe der Entschluß, der zuerst zu Boppard im April 1399 festere Gestalt gewann, zur That wurde, und Erzbischof Johann hatte viel zu thun, um noch andere Fürsten heranzuziehen. Allmählich wurden die fünf Kurfürsten, die in Betracht kommen konnten, gewonnen, dagegen machte die Frage, wer zum neuen Könige gewählt werden sollte, große Schwierigkeiten. Auf dem Tage, der Ende Mai 1400 zu Frankfurt zusammentrat, zogen sich der Kurfürst von Sachsen und die Braunschweiger von der Verschwörung zurück, wahrscheinlich, weil sie nicht den Pfalzgrafen zum Könige wollten; auf der Heimreise wurde Herzog Friedrich von Braunschweig von dem Waldecker Grafen Heinrich überfallen und erschlagen, ein Vorfall, der größtes Aufsehen machte und dem Mainzer Erzbischofe die übelste Nachrede eintrug. Die vier rheinischen Kurfürsten erließen an König W. die Mahnung, auf den 11. August nach Oberlahnstein zu kommen und dort die Gebrechen des Reiches abzustellen, widrigenfalls sie sich der geleisteten Eide für entbunden betrachten würden. Natürlich erschien W. nicht und so wurde er am 20. August vor den Thoren von Lahnstein als „unnützlich, träg und für das[731] römische Reich durchaus ungeschickt“ als abgesetzt erklärt; am folgenden Tage wählten die Kurfürsten auf dem Königsstuhl zu Rense den Pfalzgrafen Ruprecht zum Könige.

W. kam in seiner Erbärmlichkeit nicht dazu, den Gegner zu bekämpfen, und zerfiel auch vollends mit Sigmund, der die Nothlage des Bruders ausbeuten wollte. Hauptsächlich dieser Schwäche und Uneinigkeit der gesamten luxemburgischen Familie hatte es Ruprecht zu verdanken, wenn er sich nicht nur behaupten, sondern auch größeren Anhang erwerben konnte, obgleich der Osten des Reiches weiter W. als König anerkannte. Ruprecht durfte sogar eine Zeitlang hoffen, mit W. eine friedliche Auseinandersetzung zu finden. Sie kam jedoch nicht zustande, denn W. trat wieder eng zu Sigmund, der für sich den Reichsvicariat, für W. noch jetzt die Kaiserkrone zu erreichen gedachte. Aber der Ungarnkönig nahm 1402 W. in Haft und übergab ihn dem österreichischen Herzoge Wilhelm, worauf Jost wieder seine listigen Pläne schmiedete, sich zum Herrn der Lage zu machen. Sigmund nöthigte indessen W., die Regierung Böhmens völlig abzutreten, und raubte dessen Schatz, bis ihn Unruhen in Ungarn nöthigten, dort zum Rechten zu sehen, und die wandelbaren Oesterreicher im November 1403 W. aus Wien entweichen ließen. Es gelang ihm nun, in den nächsten Jahren seine Herrschaft in Böhmen wiederherzustellen und mit seinen Widersachern Frieden zu schließen.

Erst als durch den Abfall der beiden Kardinalcollegien von ihren Päpsten Gregor XII. und Benedict XIII. die Kirchensache ein ganz neues Wesen annahm, trat W. wieder bedeutsamer hervor. Er schlug sich im Gegensatz zu König Ruprecht auf die Seite der Kardinäle und erklärte sich zur Beschickung des nach Pisa berufenen Concils bereit. Aus dieser Wendung ergab sich großes Unheil für die Prager Universität. W. war ganz zum Böhmen geworden und den Deutschen abgeneigt. Da die deutschen Professoren gegen das Concil waren, gab W. den Vorstellungen der böhmischen Partei nach und veränderte im Januar 1409 mit einem Schlage die Verfassung der Universität zu jener Gunsten derartig, daß die deutschen Lehrer und Studenten Prag verließen. W. hatte dann die Genugthuung, daß das Pisaner Concil ihn als rechtmäßigen römischen König anerkannte. Der Tod Ruprecht’s am 18. Mai 1410 erweckte in ihm die eitle Hoffnung, wieder allgemeiner König zu werden, doch ließ er schließlich seine Abgesandten bei der Wahl in Frankfurt am 1. October für Jost stimmen, da die andere Partei der Kurfürsten vorher Sigmund auf den Schild erhoben hatte. Bald wurde er wieder wankend und trat als römischer König auf. Erst nachdem Jost am 18. Januar 1411 gestorben war, verglich sich W. mit Sigmund, der ihm die kaiserliche Würde versprach, und gab dem Bruder am 17. Juli 1411 seine Stimme. Den Titel eines römischen Königs behielt er bei. Für das Reich hatte W. fortan keine Bedeutung mehr.

Mittlerweile hatte der bei Hofe wohlgelittene Universitätsprofessor Johannes Hus seine Predigten gegen die entartete Kirche begonnen und zugleich die meisten Sätze des Oxforder Gelehrten John Wiclif zu seinen eigenen gemacht. Die steigende Aufregung in Prag und der üble Ruf, in den Böhmen dadurch kam, beunruhigten W., so daß er Hus aufforderte, er möge die Stadt für einige Zeit verlassen. Daher war W. ganz einverstanden, als Sigmund Hus auf das Concil nach Konstanz einlud. Er hat dann nichts gethan, um den Magister aus dem Gefängniß zu befreien und vom Tode zu retten. Als die Böhmen im wilden Zorn über die Verbrennung ihres geliebten Landsmannes die Geistlichkeit antasteten und feierliche Proteste erließen, schwankte W. furchtsam hin und her, und nur seinem Bruder Sigmund hatte er es zu verdanken, daß das Concil nicht gegen ihn einschritt. Da der Aufruhr stieg, drängte Sigmund W. zu scharfen [732] Maßregeln gegen die Husiten. Dadurch wurde nur Oel ins Feuer gegossen. Die Husiten, gereizt durch die Verhöhnung eines feierlichen Aufzuges, stürmten das Rathaus der Neustadt Prag und warfen sieben Ratsherren zum Fenster hinaus unter die tobende Menge. Die furchtbare Erregung zog W. einen Schlaganfall zu, dem er am 16. August 1419 erlag. Da er keine Kinder hinterließ, wurde Sigmund sein Erbe.

Der schlechte Ruf, in den W. frühzeitig gerieth, war leider nur zu wohl begründet, obgleich viele der schlimmen Geschichten, die von ihm erzählt werden, auf Erfindung oder Sage beruhen. Ein Bösewicht war W. nicht, aber träg, trunksüchtig, jähzornig, unselbständig und deshalb unvermögend, eine stetige Regierung zu führen. Das von seinem Vater Karl begonnene Werk hat er nach allen Seiten hin zu Grunde gerichtet.

F. M. Pelzel, Lebensgeschichte des Königs Wenceslaus. Zwei Bände. Prag 1788/90. – Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiches unter König W., 2 Bde., Braunschweig 1875–1880; Das Urkundenwesen Karl’s IV. und seiner Nachfolger, Stuttgart 1882; Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern II, Stuttgart 1893. – Fr. Palacky, Geschichte von Böhmen III, IV. – Jul. v. Schlosser, Die Bilderhandschriften Königs W. (im Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Wien 1893. XIV, vgl. auch XV: Die Elfenbeinsättel). – A. Vahlen, Der deutsche Reichstag unter König W. Leipzig 1892. – W. Vischer, Geschichte des Schwäbischen Städtebundes (in Forschungen zur deutschen Gesch. II. vgl. III., XV, XIX). – E. Ebrard, Der erste Annäherungsversuch König Wenzel’s an den Schwäbisch-Rheinischen Städtebund. Straßburg 1877. – C. Wutke, Beiträge zur Gesch. des großen Städtebundkrieges (in Mittheil. Salzburg. Landeskunde XXVIII). – G. Tobler, Die Beziehungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu den deutschen Reichsstädten 1385–1389. Zürich 1879. – L. Quidde, Der Schwäbisch-Rheinische Städtebund 1384. Stuttgart 1884. – P. Eschbach, Die kirchliche Frage 1378–1380. Gotha 1887. – Kneebusch, Die Politik König Wenzel’s – 1379. Dortmund 1889. – K. Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrh., insbes. Markgraf Wilhelm u. König Wenzel. Leipzig 1877. – H. Mau, König Wenzel und die Rheinischen Kurfürsten. Rostock 1887. – A. Leroux, Nouv. recherches – sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne 1378–1461. Paris 1882. – N. Valois, Le grand schisme en Allemagne 1378–1380 (in Röm. Quartalschr. VII). – Moranville, Relations de Charles VI. avec l’Allemagne 1400 (in Bibl. de l’école des chartes XLVII). – H. Haupt, Das Schisma – in seiner Einwirkung auf die oberrheinischen Landschaften (in Ztschr. – Oberrhein XLV). – Erler, Das Gutachten des Pfalzgr. Ruprecht – 1398 (in Zeitschr. Oberrhein N. F. X.). – J. Weizsäcker, Die Vorgeschichte der Revolution 1400 (in Deutsche Ztschr. für Geschichtswissenschaft VII); der Pfalzgraf als Richter, Göttingen 1886; Rense als Wahlort, Berlin 1891. – Lindner, Ueber die bei der Absetzung Wenzel’s gelesenen Artikel (in Mittheil. österr. Inst. VII); – M. G. Schmidt, Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle. Halle 1894. – Deutsche Reichstagsacten, hrsg. von Jul. Weizsäcker, I–III. – Fr. Palacky, Ueber Formelbücher. Prag 1843/48 – J. Loserth, Beiträge zur Husitischen Bewegung I–V (in Archiv für Oesterreich. Gesch. LV, LVII, LX, LXXV, LXXXII); Urkunden und Tractate betr. die Verbreitung des Wiclifismus in Böhmen (in Mitth. – Gesch. der Deutschen in Böhmen XXV).

Theodor Lindner.

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wenzel, deutscher König und König von Böhmen“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 726–732, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenzel_(deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=2169127 (Version vom 25. Juni 2014, 06:34 Uhr UTC)

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